Warum üben toxische Menschen Gewalt aus? – Wieso das die falsche Frage ist

Warum üben toxische Menschen Gewalt aus? Diese Frage bewegt wahrscheinlich viele, besonders aber die Opfer toxischer Menschen. Diese emotionale, seelische und körperliche Gewalt ist ja mit gesundem Menschenverstand nur kaum nachzuvollziehen. Die Frage nach dem Warum ist daher verständlich, aber die falsche Frage. Wieso?

Bist du selbst Opfer eines toxischen Menschen geworden oder kennst du jemanden, die oder der durch einen solchen Menschen stark beeinträchtigt oder sogar schwer verletzt wurde, dann wirst du dir diese Frage nach dem Warum vielleicht schon lange stellen. Wie kann es sein, dass ein Mensch, der doch so unglaublich nett sein kann, sich immer wieder ganz anders verhält? Wie kommt es, dass jemand Ehrlichkeit predigt, aber lügt wie gedruckt? Warum stellt sich jemand als guter Mensch dar, manipuliert aber ständig andere zum eigenen Vorteil? Weshalb schiebt er die Schuld an seinen eigenen Fehlern immer anderen zu? Weshalb macht dieser Mensch andere seelisch, emotional und körperlich völlig fertig und schert sich nicht nur nicht darum, was sein Verhalten bei ihnen anrichtet, sondern verhöhnt sie deshalb auch noch? Es ist wirklich kaum zu begreifen.

Warum üben toxische Menschen Gewalt aus?

Warum also üben toxische Menschen Gewalt aus? Die kurze Antwort ist: Weil sie wollen, weil sie können und weil unsere Gesellschaft sie nicht nur lässt, sondern häufig noch für ihr Verhalten belohnt, hofiert und befördert. „Der ist doch ansonsten so nett“, heißt es dann oft. Oder „die ist aber hervorragend qualifiziert für den Job“ oder „der ist ein so großer Künstler“, frei nach dem Motto: Dann sei „das bisschen“ Gewalt ja wohl zu verschmerzen. Was nichts weiter heißt als: Es gebe Wichtigeres als das Leid der Opfer. Nämlich die Freiheit der toxischen Menschen und die Vorteile, die sie selbst und andere durch das toxische Verhalten haben.

Doch auf diese Weise wird das Verhalten toxischer Menschen verharmlost und normalisiert. Und mit Normalisierung geht immer auch eine Gewöhnung an das scheinbar Unveränderliche einher. So können toxische Menschen weiterhin weitgehend unbehelligt gegen unzählige Menschen Gewalt ausüben. Sie haben dadurch auch teils lebenslang die Gelegenheit, sich gesundes Verhalten bei anderen abzuschauen, um es besser nachspielen zu können, mehr Menschen zu manipulieren und zu drangsalieren, dadurch ihre Methoden weiter zu verfeinern und ihre wahren Motive immer stärker zu verschleiern. Da unsere Gesellschaft ihnen diese Möglichkeiten auf dem Silbertablett serviert, sagen sie natürlich nicht nein und machen weiter wie gehabt. Dass sie in aller Regel anders handeln könnten, wenn sie müssten, ist unbestritten. Sie müssen nur nicht.

Warum beschäftigt uns diese Frage so sehr?

Dass uns die Frage, warum toxische Menschen Gewalt ausüben, nicht nur ein paar Tage, sondern manchmal sogar jahrelang beschäftigt, kann viele Gründe haben. Einer davon ist, dass ihr Verhalten schlicht nicht nachvollziehbar ist, wenn man nicht gerade Fachliteratur dazu liest. Genauso wenig aber ist nachvollziehbar, wie sie jahre- oder jahrzehntelang damit einfach durchkommen. Wir leben allerdings in einer Kultur, die toxisches Verhalten zum ultimativen Faszinosum statt zum ultimativen No-Go erhoben hat. Kein einziger Fernsehtag, kein Streaming, keine Buchhandlung und kaum ein Urlaub kommen ohne Krimis aus. Zeitungen, Podcasts und Boulevardblätter sind oft nur so erfolgreich, weil sie über Gewalt und Straftaten berichten. Und weil wir uns ja so gerne gruseln – solange wir selbst nicht die Opfer sind.

Es wird uns wieder und wieder weisgemacht, dass das Böse nun einmal existiert und dass wir nichts dagegen tun können. Das spiegelt sich in einer Bundesregierung, die seit Jahrzehnten der steigenden Zahl der Opfer toxischer Menschen nicht gerecht wird (z. B. durch die viel zu magere Finanzierung von Frauenhäusern und ähnlichen Einrichtungen), und gleichzeitig immer noch keine wirksamen Instrumente gegen die Gewalt dieser Menschen anwendet. Es spiegelt sich auch in Unternehmen, die bis heute kaum wirksam oder gar nicht gegen Mobbing und toxische Führungskräfte vorgehen, sie stattdessen sogar hofieren und befördern. Und es spiegelt sich sehr sichtbar in Social Media, wo toxische Menschen ihr Gift fast völlig ungestraft verbreiten können.

„Die schwere Kindheit“ toxischer Menschen führt in die falsche Richtung

Das Verständnis, das seitens der Psychologie für die Täter:innen gefordert wird, ist zwar wichtig und gut, führt jedoch angesichts der oben genannten Faktoren nicht selten dazu, deren extrem schädigendes Verhalten und die Folgen für die Opfer zu verharmlosen. Ein Beispiel dafür ist die „schwere Kindheit“, die toxische Menschen sehr gerne als Grund für ihr Verhalten angeben. Es gibt tatsächlich viele toxische Menschen, denen in ihrer Kindheit furchtbar zugesetzt wurde. Anderen Menschen ist es aber nicht besser ergangen, doch sie legen kein toxisches Verhalten an den Tag. Nur wird das häufig übersehen. Und so hält sich die Mär vom armen toxischen Menschen, der vermeintlich nichts für sein Verhalten kann. „Der ist halt so. Lass ihn doch und reg dich nicht so auf“ heißt es dann oft.

Wenn wir Antworten auf die Frage nach dem Warum suchen, finden wir deshalb häufig nur oberflächliche, klischeehafte Texte, die alle in diese Richtungen tendieren und die Frage nicht wirklich beantworten. Zumindest nicht so, dass wir das Verhalten wirklich verstehen können. Manchmal wird sogar den Opfern toxischer Menschen unterschwellig oder offen eine Mitverantwortung oder Mitschuld gegeben (die sie aber absolut nicht haben!).

Und da wir über Gewalt, insbesondere emotionale und seelische Gewalt, und ihre oft gravierenden Auswirkungen so gut wie gar nicht öffentlich sprechen, ist die Suche nach Antworten umso schwerer.

Gefangen in der kognitiven Dissonanz

Die Frage nach dem Warum beschäftigt aber gerade Opfer toxischer Menschen, weil sie durch deren Gaslighting und all die anderen Methoden so stark manipuliert wurden, dass sie die Gegensätze, die sich hinter diesem Verhalten verbergen, einfach nicht verstehen können. Sie erleben eine so krasse kognitive Dissonanz Fragezeichen © Toxiversum, dass sich ihre Gedanken immerzu im Kreis drehen mit: „der ist doch so nett“ und „was zur Hölle war das denn gerade?“ und „das tut mir weh!“ In diesem Gedankenkarussell sind sie meist unbewusst schon während der toxischen Beziehung gefangen. Sie versuchen permanent, sich einen Reim auf dieses Verhalten zu machen. Das ist nicht nur wahnsinnig anstrengend, es ist auch vergeblich.

Problematisch kann es werden, wenn die Suche nach Antworten nicht aufhört. Wenn du bereits Antworten erhalten hast, aber dennoch immer weiter suchst. Wenn du immer weitere Bücher, Blogs und Texte über toxische Menschen liest, in der Hoffnung, nochmal etwas Neues zu erfahren. Doch alles, was du erfährst, ist eine Bestätigung dessen, was du bereits weißt. Und das ist nicht immer gut.

Es kann sehr hilfreich sein, die Suche nach Antworten einzustellen. Warum?

Was? Wie kann das auch nur im Entferntesten hilfreich sein? Die Frage ist berechtigt, doch gibt es sehr gute Gründe dafür:

  1. Du beschäftigst dich weiterhin ständig mit dem toxischen Menschen.
    Selbst wenn du Antworten hast, wirst du möglicherweise immer noch weitere offene Fragen haben. Je mehr du lernst, desto mehr Fragen stellen sich dir vielleicht. Und so ist der toxische Mensch weiterhin in deinen Gedanken.
  2. Sein Gift kann weiter in dir wirken.
    Die Suche nach weiteren, klareren Antworten kann dann wie eine Sucht sein und dich dazu bringen, dich weiterhin vorrangig mit dem toxischen Menschen zu beschäftigen. Selbst wenn du nichts mehr mit diesem Menschen zu tun hast, kann sein Gift dadurch immer weiter in dir wirken.
  3. Das Nicht-Verstehen-Können kann dich irre machen.
    Du bleibst womöglich auch weiterhin in dem Netz der kognitiven Dissonanz gefangen. Du siehst viel Gutes in diesem Menschen und kannst das absolut nicht übereinbringen mit all den schlimmen Dingen, die er dir angetan hat. Und das kann jeden Menschen völlig irre machen.
  4. Die Suche raubt dir kostbare Lebenszeit und Lebensfreude.
    Nicht nur das, du wirst dich vielleicht weiterhin klein, hilflos und schwach fühlen, obwohl du tief drinnen weißt, dass du stark bist und so viel könntest, wenn nur diese inneren Bremsen nicht so fest säßen. Das kann dich in eine Abwärtsspirale senden, dich noch zusätzlich schwächen, dir noch mehr kostbare Lebenszeit und Lebensfreude rauben. Denn:
  5. Diese Zeit fehlt dir für deine Heilung.
    Jede Sekunde, die du auf die Suche nach Antworten ver(sch)wendest, fehlt dir für deinen eigenen Heilungsprozess. Sie hält dich davon ab, dir anzuschauen, was dieser Mensch alles in dir zerstört hat und wie du wieder heilen kannst.

Das Wichtigste ist, dass es zuerst dir gut geht

Deshalb kann es eine der wichtigsten Entscheidungen in deinem Heilungsprozess sein, die Frage, warum toxische Menschen Gewalt ausüben, ziehen zu lassen. Zu akzeptieren, dass sie Gewalt ausüben (s. Lesetipp unten), dich von dem Warum ab- und dir selbst zuzuwenden. Deine Traumabindung Fragezeichen © Toxiversum an diesen Menschen mag dir einflüstern, dass du dich nicht befreien und deinen Weg weitergehen kannst, wenn du das Warum nicht kennst. Doch das ist falsch.

Viel wichtiger ist es, dass du herausfindest, welche Auswirkungen die toxische Gewalt auf dich, dein eigenes Verhalten und dein Leben hat(te). Dass du dich darum kümmerst, diesen Auswirkungen in Zukunft etwas entgegenzusetzen, indem du wieder zu Kräften kommst. Und dass du (wieder) lernst, dich mit liebevoller Selbstfürsorge zu betrachten, deine Werte und Grenzen festzulegen und dich darum kümmerst, dass es zuerst dir wieder gut geht. Und zwar richtig gut.

Die Entscheidung, was du tust, liegt natürlich immer bei dir. Doch geht es dir erst wieder gut, wirst du möglicherweise feststellen, dass du dich gar nicht mehr mit dem ganzen Gift beschäftigen möchtest. Und die Suche nach Antworten auf die Frage, warum dieser toxische Mensch Gewalt gegen dich ausgeübt hat, dauerhaft einstellst. Weil es dir wichtiger ist, dein Leben zu leben und nach Möglichkeit zu genießen, als noch eine einzige Sekunde an den toxischen Menschen zu verschwenden.

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