Wenn Dinge verschwinden

Wenn Dinge verschwinden, glauben wir meistens zunächst, dass wir uns irren. Dass wir sie verlegt haben. Dass wir sie in einem merkwürdigen Anfall geistiger Umnachtung womöglich weggeworfen haben. Doch im Zusammenhang mit toxischen Menschen ist diese Annahme falsch.

Es ist im Grunde ganz normal, dass Dinge verschwinden. Manchmal haben wir sie verliehen (und nie wieder zurück bekommen). Manchmal haben wir sie irgendwo abgelegt, als wir in Gedanken ganz woanders waren, und wissen nicht mehr, wo. Und viele von euch kennen sicher auch die sprichwörtliche Brille, die wir von der Nase hoch auf den Kopf schieben und anschließend stundenlang nicht wiederfinden können. Doch was ist, wenn Dinge verschwinden und wir sie tatsächlich nicht mehr wiederfinden können? Und wenn so etwas häufiger passiert als früher?

Wenn Sachen verschwinden, ist es verwunderlich … zuerst

Beim ersten Mal erscheint es dir wahrscheinlich noch ziemlich normal: Ein Gegenstand verschwindet, von dem du ganz sicher warst, dass du ihn hattest, und wusstest, an welchem Ort er lag oder stand. Vielleicht befand er sich schon immer dort. Eventuell hast du auch noch den Kaufbeleg. Und Fotos, auf denen der Gegenstand über Jahre immer mal zu sehen ist. Möglicherweise hast du ihn gestern oder gerade eben noch benutzt. Und jetzt ist er plötzlich verschwunden, hat sich in Luft aufgelöst und taucht beim besten Willen nicht mehr auf.

Wenn ein zweites Mal Dinge verschwinden, dann stutzt du vermutlich, denn es ist ja schon einmal so etwas Merkwürdiges passiert. Und vielleicht sieht dir das gar nicht ähnlich, mehrmals Dinge zu verlieren. Doch auch der zweite Gegenstand bleibt verschwunden.

Möglicherweise bleibt es aber nicht bei diesen ein, zwei Vorfällen, sondern es verschwinden im Lauf der Zeit noch einige mehr. Manche davon Kleinigkeiten, manche ziemlich groß und eigentlich unübersehbar. Vielleicht tauchen einige davon wieder auf, aber andere bleiben unauffindbar. Häufig ausgerechnet die, die dir besonders am Herzen lagen, mit denen du eine wichtige Erinnerung verbunden hast oder die du beispielsweise für die Arbeit dringend benötigst.

Dinge verschwinden zu lassen, ist Teil des Gaslightings

Hast du bereits bemerkt, dass etwas verschwunden ist? Und hast du – nachdem du alles erfolglos abgesucht hast – vielleicht eine bestimmte Person in Verdacht? Hast sie schon darauf angesprochen und sie leugnet, etwas damit zu tun zu haben? Wird vielleicht wütend und dreht den Spieß um, gibt dir die Schuld und sagt, dass du echt Hilfe brauchst?

Ist in deinem Umfeld ein toxischer Mensch, dann kannst du relativ sicher davon ausgehen, dass er dafür verantwortlich ist, wenn Gegenstände plötzlich unauffindbar sind – nicht du selbst. Dinge verschwinden zu lassen, ist eine der typischen Gaslighting-Strategien Fragezeichen © Toxiversum toxischer Menschen. Sie soll das Opfer zunächst einmal eine Weile beschäftigen, und sie soll es verunsichern. Und zwar so sehr, dass es seine eigene Wahrnehmung in Frage stellt.

War ein Gegenstand eben noch da und ist er jetzt weg, aber du weißt nicht wohin, dann denkst du wahrscheinlich zunächst, dass du selbst ihn weggenommen, das aber vergessen haben musst. Wir suchen den Fehler meistens zuerst bei uns selbst. Kommt so etwas häufiger vor, suggeriert dir der toxische Mensch wahrscheinlich, dass du offensichtlich ein Problem hast. Und du hinterfragst dich noch stärker. Aber weil du keinerlei Erinnerung an den Vorgang hast, sucht dein Hirn wieder und wieder erfolglos nach Erklärungen für dieses merkwürdige Verschwinden von Gegenständen. Damit bist du ziemlich lange beschäftigt und abgelenkt von all den anderen Sachen, die der toxische Mensch in dieser Zeit tut – er hat dich damit jetzt schon im Griff.

Es hat Methode, wenn Gegenstände „verschwinden“

Im schlimmsten Fall weitet sich deine Unsicherheit von diesen Situationen auch auf andere aus. Du bist dann auch in ganz normalen Situationen verunsichert. Du verlierst das Vertrauen in deine eigene Wahrnehmung und nimmst dafür immer öfter die Hilfe des toxischen Menschen in Anspruch. Er und seine Vorgaben, sein Urteil dienen dir immer häufiger als Richtschnur, während du dein Gehirn in Knoten legst, die nicht wieder aufgehen. Denn die Gegenstände tauchen dort auf, wo du sie nie im Leben hinlegen würdest. Oder sie bleiben immer noch verschwunden.

So hat der toxische Mensch dich da, wo er dich haben will: abhängig von ihm, formbar, führbar und absolut kontrollierbar.

Denn, natürlich sind die Dinge nicht einfach verschwunden. Dinge verschwinden nie einfach so, schon gar nicht im Toxiversum. Und du verlegst sie auch nicht alle oder wirfst sie weg, schon gar nicht deine Lieblingssachen. Sie verschwinden nur, weil der toxische Mensch sie vor dir versteckt oder sogar gleich ganz entsorgt. Und das hat Methode.

Vielleicht erscheint dir das Ganze noch als vermeintlich harmloser Jux, den sich ein toxischer Mensch mit dir erlaubt. Doch wenn Dinge verschwinden, hat das oft einen bedrohlichen Hintergrund, und du solltest ihn sehr ernst nehmen. Tu ihn nie als vermeintlichen Kinderkram oder schlechte Witze eines toxischen Menschen ab, sondern merke dir gut, was passiert. Bei toxischen Menschen ist eher selten die einzelne Handlung für sich genommen schlimm – vielmehr brauchst du einen klaren Blick auf alles, was sie tun (nicht, was sie sagen, sondern was sie tun!). Sammle also einmal all die Vorkommnisse, all die Merkwürdigkeiten, wo Dinge scheinbar verlegt waren oder verschwunden sind. Und du kannst womöglich bald schon ein Muster darin entdecken.

Ein Beispiel für verschwindende Dinge:

„Ich arbeitete in einem kleinen Unternehmen. Meine wichtigsten Unterlagen befanden sich immer in einem Ablagekasten auf einem Regalbrett. Darunter war eine Liste von Fragen meiner Kund:innen, die mich um Informationen zu bestimmten Produkten gebeten hatten, die ich erst noch recherchieren musste. Auf dieser Liste notierte ich sowohl die Fragen und Kontaktmöglichkeiten der Kund:innen als auch die Antworten. Viele dieser Fragen kamen immer wieder, und so hatte ich mir eine Sammlung von Antworten angelegt, insbesondere der komplizierteren Antworten, um nicht jedesmal neu recherchieren zu müssen. Ich hatte mir inzwischen ein Notizbuch gekauft, um meine Lose-Blatt-Sammlung mit allen Antworten zusammenzufassen (das war zur Jahrtausendwende, wir arbeiteten noch mit Papier).

Eines Tages kam ich zur Arbeit und mein Ablagekasten war leer. Die losen Blätter waren weg. Das Notizbuch war weg. Am Abend zuvor war jedoch nachweislich nur noch eine einzige Person nach mir dort gewesen: meine Vorgesetzte. Aber sie behauptete, sie sei niemals an meinem Ablagekasten gewesen. Sie sagte es so leichthin, als sei es unerheblich, dass ich dadurch meine mühsam recherchierten Informationen vollständig verloren hatte. Ich musste annehmen, dass sie abends einfach alles aus purer Bosheit in den Müll geworfen hatte. Obwohl auch alle anderen danach suchten, tauchten die Sachen nie wieder auf.“


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