Wenn die Schläge nicht das Schlimmste sind: Sonias Geschichte

Sie war selbstbewusst, glücklich und lebensfroh, und sie strahlte das auch aus. Zu ihrer ganzen Familie hatte sie eine sehr innige Beziehung. Sie hatte einen großen Freundeskreis. Und sie liebte ihre Arbeit. Dann kam Wolfgang, und bald war es mit all dem vorbei. Dies ist Sonias Geschichte.*

Sonia war Mitte 30, als sie Wolfgang kennenlernte. Er war verheiratet, sie hatte einen Partner. Die ersten Jahre waren sie nur befreundet, aber verstanden sich sehr gut. Wolfgang war charmant, unternehmungslustig, sportlich, und ihn haute nichts um. Alle schwärmten von ihm, und er war bei seinen Kolleg:innen hoch angesehen. Seine Ehe, sagte er Sonia und allen, die es hören wollten, bestehe allerdings nur noch auf dem Papier. Es sei halt bequem so, aber sonst sei da nichts mehr.

Dieser starke Mann traute sich, so viel Schwäche zu zeigen

Auch wenn ihr Gefühl ihr sagte, dass irgendetwas mit diesem Mann nicht stimmte, glaubte Sonia ihm. Und irgendwann funkte es mächtig zwischen den beiden. Doch schon zwei Wochen danach fühlte Sonia sich wie das fünfte Rad am Wagen. Denn Wolfgang hatte nicht vor, sich wegen ihr von seiner Frau zu trennen. „Ich gebe aber jedem Menschen eine zweite Chance“, sagt sie. „Klappt es auch beim zweiten Mal nicht, bin ich sehr konsequent und beende die Sache.“ Und so kam es bald: Sie machte Schluss mit ihm.

Sofort begann er zu weinen. Sie sei doch die Einzige für ihn, flehte er, nur sie zähle, und er würde sofort zu Elif, seiner Frau, gehen und die Ehe endgültig beenden. „Dass dieser sonst so starke Mann sich traute, mir so viel Schwäche zu zeigen“, sagt Sonia, „da konnte ich nicht anders und bin doch mit ihm zusammengeblieben.“ Und nicht nur das: Wolfgang zog direkt bei ihr ein.

Sein Verhalten war mustergültig: „Ich hatte noch nie eine Beziehung, in der sich ein Mann so viel Zeit für mich genommen hat!“, sagt sie. Gemeinsam machten sie Ausflüge und Motorradtouren, gingen wandern, – an jedem Wochenende stand etwas Neues auf dem Programm. Wolfgang interessierte sich für alles in ihrem Leben. Er wollte immer wissen, was sie machte und mit wem sie sich traf. Seine Mittagspausen wollte er nur noch mit ihr verbringen. Hatte sie einmal einen freien Tag, an dem er arbeiten musste, wollte er sogar den ganz unbedingt mit ihr verbringen, und sei es, dass sie den Tag auf seiner Arbeitsstelle zubrachte. Das wunderte sie ein bisschen, aber sie dachte sich nichts dabei, denn: „Es hat mir so geschmeichelt, dass er diese ganze Zeit mit mir verbringen wollte.“ Als er ihr bei einem der gemeinsamen Ausflüge, ganz romantisch bei Sonnenuntergang, einen Heiratsantrag machte, sagte sie ja.

Er schränkte sie immer weiter ein, doch nichts wurde besser

Die Hochzeitsreise (von der sie den größten Teil bezahlte, obwohl Wolfgang mehr Geld verdiente als sie) ging nach Frankreich, in die Pyrenäen. „Wir sind gleich am ersten Tag endlos weit gefahren“, sagt sie. „Als ich ihm vorschlug, dass wir doch in einem Motel übernachten könnten, sagte er: Wenn es dir nicht passt, wie ich das mache, setze ich dich am nächsten Bahnhof ab, und du kannst alleine zurückfahren.“ Sie weinte die ganze Nacht. Der Rest der Hochzeitsreise war dann aber weitgehend friedlich. Bis auf einen Abend, an dem sie grauenhafte Kopfschmerzen bekam. Wolfgang war das egal, er wollte Sex. Als sie ihn bat, sie diese eine Nacht in Ruhe zu lassen, weil es ihr so schlecht ging, sagte er: Du bist jetzt verheiratet. Das ist deine eheliche Pflicht. Es sollte nicht die letzte Vergewaltigung sein. Und ihre Kopfschmerzen wurden chronisch.

Zurück zu Hause fiel ihr bald auf, dass sie kaum noch Zeit für ihre Familie und ihre Freund:innen übrig hatte, weil Wolfgang jede freie Minute mit ihr zusammensein wollte. Es behagte ihr immer weniger, dass er ständig wissen wollte, wer all die Leute sind, mit denen sie auf Instagram verbunden war, oder warum sie etwas von jemandem gelikt hatte. Sie bekam immer mehr das Gefühl, dass sie sich für all ihre Handlungen und Entscheidungen ihm gegenüber rechtfertigen musste. Doch mittlerweile hatte sie Angst vor dem Alleinsein und nahm deshalb auch das hin.

Sonia strengte sich sehr an, aber es lief einfach nicht besser in ihrer Ehe. Wolfgangs Verhalten war völlig anders als das aller anderen Männer, die sie kannte. Sie wollte zu gerne herausfinden, ob er sich wohl seiner Ex-Frau gegenüber auch schon so benommen hatte. Also nahm sie Kontakt mit einer gemeinsamen Bekannten auf und versuchte mehrfach, sich mit ihr alleine zu treffen. „Aber Wolfgang hat es immer geschafft, dass wir nie alleine waren. Ich konnte sie nie unter vier Augen fragen, er war immer in der Nähe.“

Seine Wutausbrüche nahmen zu und sein Gaslighting ebenfalls

Versuchte Sonia, auch ansonsten einmal etwas ohne ihn zu unternehmen, sagte er: Du musst aber auch mal etwas in unsere Beziehung investieren. Immerhin habe ich meine Frau für dich verlassen! Prompt bekam Sonia Schuldgefühle. Sie war ihm treu, aber er bezweifelte das. Was sie da noch nicht wusste: Er selbst war ihr schon längst nicht mehr treu. Doch seine Eifersucht nahm so sehr zu, dass Sonia sogar ihren geliebten Job kündigte, weil Wolfgang es nicht ertrug, dass sie es dort hauptsächlich mit Männern zu tun hatte. Und er machte ihr immer öfter Vorwürfe, dass sie herumfantasiere, mit ihrem Gefühl, ihren Beobachtungen und Einschätzungen falsch läge, dass sie offenbar psychisch krank sei. Demütigungen und Gaslighting pur also. Und seine Wutausbrüche nahmen zu – so sehr, dass Sonia schon bald aus ihrer Wohnung floh, wenn er wieder explodierte.

Doch ihr Umfeld war von Wolfgang nach wie vor hingerissen. Sogar ihre ganze Familie himmelte ihn an. „Ich dachte, das ist merkwürdig, denn ich fand ihn gar nicht mehr so umwerfend“, sagt Sonia. „Aber wenn mein ganzes Umfeld etwas anderes sagt, dann muss es ja an mir liegen, oder? Dann hat Wolfgang wohl doch recht.“

Sonias anfängliche Verzweiflung, weil sie gar nicht mehr wusste, was sie noch tun konnte, und ihre Verwirrung verwandelten sich zunehmend in Depressionen. Sie arbeitete an sich, suchte sogar einen Therapeuten auf. „Der sagte mir nur: Suchen Sie sich ein Hobby! Also habe ich das probiert.“ Sie lernte zu töpfern und versuchte damit, auf andere Gedanken zu kommen. Ein kleines Zimmer ihrer Wohnung widmete sie zur Töpferwerkstatt um, packte es vom Boden bis zur Decke voll mit Ton, Glasuren und Werkzeugen, kaufte sich sogar einen kleinen Brennofen. Denn wenn sie etwas machte, dann richtig, sie war schließlich konsequent. „Es war eine Zuflucht für mich“, sagt sie. Hier konnte sie etwas Ruhe vor Wolfgang finden. Und abends konnte sie ihm ihre Fortschritte vorweisen.

Sie war ein anderer Mensch geworden

Das gefiel Wolfgang, denn so war er sich sicher, dass sie sich nicht mit anderen Leuten getroffen hatte. Er, auf der anderen Seite, ließ sich immer seltener zu Hause blicken. Ihre gemeinsamen Unternehmungen am Wochenende schliefen ein, und er war Sonia gegenüber sehr distanziert. Sie ging zur Arbeit und kam direkt danach nach Hause und töpferte. So sah ihr Leben nun aus. Wenn sie doch einmal mit einem seiner Freunde oder mit einem Kollegen auf der Arbeit sprach, nahm Wolfgang sie anschließend wütend ins Kreuzverhör.

Selbst wenn sie noch die Kraft gehabt hätte, etwas alleine zu unternehmen, es wäre sehr umständlich gewesen, denn immer öfter fuhr Wolfgang mit Sonias Auto weg. Die Lebensfreude, die sie früher ausgestrahlt hatte, war erloschen. Genauso wie der Großteil ihrer Kontakte. Sie konnte sich niemandem anvertrauen – wer hätte ihr schon geglaubt, wo sie doch alle so sehr von Wolfgang schwärmten?! Nicht jeder Tag war furchtbar, aber ihr Selbstbewusstsein war im Keller, und sie war ein anderer Mensch geworden.

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An ihrem ersten Hochzeitstag schlug er sie zum ersten Mal. Sie hatten für den Nachmittag einen Ausflug geplant, doch Wolfgang trödelte herum. Als Sonia ihn darauf ansprach, dass ihr Ausflugsziel bald schließen würde, sah sie sofort Wut in seinen Augen. Er rastete oft aus, bei jeder Kleinigkeit, insbesondere dann, wenn er ihre Worte als Vorwurf interpretierte – was häufig vorkam. „Ich habe immer alles extra vorsichtig formuliert, mit sehr feinen Worten“, sagt Sonia. Doch das nützte nichts. Und an diesem ersten Hochzeitstag beließ er es nicht mehr bei Vorwürfen, Beschimpfungen und Demütigungen. Diesmal schlug er sie. Und nicht zum letzten Mal. Sie nahm es hin, weil sie wusste, würde sie sich wehren oder versuchen, mit ihm darüber zu sprechen, würde er das als Provokation auffassen. Ohnehin hätte ihr die Kraft gefehlt, sich zu wehren. Andere sahen das nie, denn Wolfgang wusste sehr genau, wo er hinschlagen musste, damit niemand ihre blauen Flecken sehen konnte.

Aus Scham hatte sie ihre alten Kontakte endgültig abgebrochen

Aus den ganzen acht Jahren ihrer Ehe erinnert sich Sonia nur noch an die ersten Schläge und an die letzten. Sie weiß, dass er sie nach diesem ersten Hochzeitstag alle paar Wochen geschlagen hat, aber an die Details kann sie sich nicht erinnern. Nur daran, dass sie aus Scham schließlich all ihre alten Kontakte endgültig abgebrochen und sich vollständig in ihre Töpferwerkstatt verkrochen hatte.

Immer wieder schlug sie ihm vor, wenigstens ein gemeinsames Treffen mit seinem besten Freund und dessen Frau zu verabreden. Er sagte: Ja, ich rede mal mit denen. Und dann passierte nichts. Sehr viel später erfuhr sie von diesem Freund, dass er und seine Frau Wolfgang immer wieder ein Treffen mit Sonia vorgeschlagen hatten. Doch der habe ihnen gesagt: Das will die Sonia nicht. Von anderen Freunden erfuhr sie, dass Wolfgang, wenn sie nach Sonia fragten, ein trauriges Gesicht aufgesetzt habe, als habe er darunter gelitten, dass Sonia nicht mitgekommen war.

Mit der Zeit wollte Wolfgang immer seltener Sex, und Sonia war froh darüber, dass er sie nun seltener dazu zwang. Irgendwann war sie sich sogar sicher, dass er eine Affäre hatte. Denn er kam immer öfter erst spät abends nach Hause, blieb am Wochenende auch über Nacht weg. Und sie hatte bemerkt, dass eine ganz bestimmte Frau jedes einzelne seiner Fotos auf Instagram likte. Da sah sie ihre Chance gekommen: „Ich dachte, wenn er es mit der ernster meint, dann habe ich vielleicht die Möglichkeit, die Ehe zu beenden.“ Und ihn zum Auszug zu bewegen, denn sie wohnten nach wie vor in Sonias Wohnung, für die sie allein die Miete zahlte. Wolfgang lebte wie ein Parasit, er beteiligte sich lediglich minimal an den Nebenkosten.

Als er auszog, wurde er noch einmal gewalttätig

Die Aussicht, dass die Gewalt bald ein Ende haben könnte, weckte Sonias Lebensgeister wieder. Ab sofort zeigte sie ihm die kalte Schulter. Sie unternahm wieder etwas, war nicht zu Hause, wenn er von der Arbeit kam, schaltete ihr Handy aus und war über Stunden nicht erreichbar. Er sollte das Gefühl bekommen, dass sie ihm nicht mehr rund um die Uhr zur Verfügung stand. Und das zeigte Wirkung. Eines Abends sprach er sie darauf an: Wir haben uns offensichtlich auseinandergelebt. Du gehst deinen Weg, ich meinen. Dann schauen wir mal, was die Zeit mit sich bringt.

Woher Sonia den Mut nahm, weiß sie selbst nicht, aber sie sagte daraufhin zu ihm: „Dann ziehen wir einen Schlussstrich. Ich möchte, dass du ausziehst.“ Er hatte schließlich nicht nur seine zweite, sondern hunderte weitere Chancen endgültig vertan. Das Maß war übervoll.

Damit hatte Wolfgang nicht gerechnet. Denn er hatte, wie Sonia später erfuhr, nicht nur in den ersten Monaten ihrer Beziehung noch mit seiner damaligen Frau zusammengewohnt – dasselbe hatte er schon in der Beziehung davor getan: noch lange mit der einen zusammengelebt, während er mit der nächsten bereits fest zusammen war. Offenbar hatte er darauf spekuliert, auch jetzt noch gemütlich und weitgehend kostenfrei bei Sonia wohnen bleiben zu können. Doch die hatte die Nase voll. Sie packte seine Sachen in ein Zimmer und machte ihm dadurch Druck, die (und sich) aus der Wohnung zu entfernen.

Nach drei Monaten, die für Sonia unerträglich waren, war er endlich draußen. Doch nicht, ohne noch einmal gewalttätig zu werden. Er holte sein restliches Eigentum ab, ließ aber – ganz typisch toxischer Mensch – jede Menge Müll einfach liegen. Sonia bat ihn freundlich, diesen Müll auch noch zu entsorgen. Sie war nicht darauf gefasst, dass er jetzt nochmal gewalttätig werden würde. Doch er schlug sie mit so viel Kraft, dass sie bis in den nächsten Raum flog. Sie bekam es mit der Angst zu tun, rief laut um Hilfe, aber niemand kam. Mit Glück konnte sie sich aus dem Haus retten und wartete draußen, bis er endlich verschwunden war.

Endlich konnte sie über die Gewalt reden, und die Polizei glaubte ihr

Am nächsten Tag ging sie zum Arzt, um den riesigen Bluterguss und die anderen blauen Flecken dokumentieren zu lassen. „Der hat mich sehr schnell abgefertigt. Ich war keine zehn Minuten bei ihm, dann stand ich wieder vor der Tür.“ Doch sie ließ sich nicht entmutigen und ging anschließend zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Sie wollte, dass Wolfgang mit diesem Verhalten nicht mehr durchkommt. Auf dem Revier war sie über zwei Stunden lang, aber nicht, weil sie so lange warten musste, sondern weil man ihr dort zuhörte. Sie konnte endlich über die ganze Gewalt in ihrer Ehe reden, und die Polizisten glaubten ihr. Doch am Ende verließ sie der neu gewonnene Mut wieder, und sie zog ihre Anzeige zurück. Denn die Polizei hätte daraufhin gegen Wolfgang ermittelt. Sonia hatte zu viel Angst vor dem, was er dann aus Rache tun würde.

Kurze Zeit später ließ sie alle Schlösser der Wohnung austauschen, baute Überwachungskameras ein und kaufte sich Pfefferspray. Und sie nahm Kontakt mit Wolfgangs Familie und einigen seiner Freunde auf. Sie wollte, dass die wissen, was er getan hatte. Nicht alle waren überrascht, denn sie hatten ihn öfter jähzornig erlebt. Sein Bruder sagte: „Sei froh, dass du ihn los bist. Er hinterlässt überall nur verbrannte Erde.“ Auch die Freunde konnten sich vorstellen, dass er Sonia so schlimm behandelt hatte. Die aber dachte sich: „Ich würde mir wünschen, dass ihr ihm endlich mal sagt, dass das so nicht geht!“

Er warf ihr vor, sie sei „psychisch völlig gestört“

Die Scheidung ging überraschend schnell über die Bühne – wahrscheinlich, nimmt Sonia an, weil Wolfgang zu geizig war, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Schließlich hatten sie weder gemeinsamen Besitz noch Kinder, also nichts weiter auseinanderzudividieren. Er versuchte noch einige Male, Sonia zu kontaktieren, und schrieb ihr, sie sei ja psychisch völlig gestört, dass sie seinen Freunden diesen Unsinn über ihn erzählen würde, er würde sie anzeigen! Daraufhin blockierte sie ihn auf allen Kanälen und hat seitdem Ruhe.

Schließlich nahm sie Kontakt zu Wolfgangs Ex-Frau Elif auf. Denn sie wollte herausfinden, ob sie nicht womöglich doch selbst schuld an der gescheiterten Ehe und all der Gewalt war, weil sie sie vielleicht herausgefordert hatte. Diese Zweifel, die Wolfgang bewusst in ihr gesät hatte und die die meisten Opfer toxischer Menschen irgenwann haben, ließen Sonia einfach nicht los. Doch Elif bestätigte ihr, dass er sich ihr gegenüber haargenauso verhalten hatte wie Sonia gegenüber. Und dass sie von ihrer eigenen Vorgängerin wusste, dass es der genauso ergangen war. Sie stellten fest, dass er seine Ex-Partnerinnen den neuen gegenüber immer als „Psychopathinnen“ bezeichnete. Elif sagte: „Ich weiß wirklich nicht, wie du es acht Jahre lang mit ihm ausgehalten hast!“ Sonia weiß es heute auch nicht mehr. Als ihre Scheidung rechtskräftig war, ging sie mit Elif zusammen zünftig feiern, und die beiden stießen befreit und fröhlich auf ihre Ex-Ehen an. Und Sonias chronische Kopfschmerzen verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren.

„Heute sehe ich die Welt endlich wieder in bunten Farben“

Vor kurzem fragte sie ein Bekannter: „Du warst bisher wie ausgeknipst. Was hast du nur gemacht, dass du jetzt so blendend aussiehst?“ Sonia strahlte ihn an und sagte: „Ich bin glücklich geschieden!“

Doch bis dahin war es ein ordentliches Stück Weg. Den musste sie allerdings nicht ganz alleine gehen. Ihre Familie und einige Freund:innen von Wolfgang, die den Kontakt zu ihm ebenfalls abbrachen, standen ihr verlässlich zur Seite. Mit ihnen konnte sie über die erlebte Gewalt sprechen, sich alles von der Seele reden. Diese Menschen fingen sie auf, wenn es ihr schlecht ging. Und in der ersten Zeit ging es ihr noch oft ziemlich schlecht. Sie haderte sehr mit sich, und immer, wenn sie über ihre Erlebnisse sprach, musste sie weinen. Sie machte eine Therapie, kam dort wieder ganz zu sich selbst und bekam von der Therapeutin wichtige Hilfsmittel für ihren weiteren Heilungsweg. Die Töpferwerkstatt löste sie auf und gab alles weg, was sie da angesammelt hatte. Der Raum ist heute ein helles, gemütliches Gästezimmer, und nichts erinnert mehr an die schlimmen Zeiten, die sie dort verbracht hat.

„Ich war vor dieser Ehe eine starke Frau“, sagt Sonia, „aber heute bin ich noch stärker. Ich habe viel Lebensfreude, bin gewachsen und weiß heute noch mehr als früher, was ich will und was nicht.“ Sie weiß aber auch, dass ihr Weg zur Heilung noch nicht zu Ende ist. Lange konnte sie sich nicht vorstellen, je wieder einem Mann zu vertrauen und eine Beziehung einzugehen. Zu groß waren die Wunden der körperlichen, aber besonders auch der seelischen Gewalt, der zahllosen Demütigungen. Doch mittlerweile ist sie an einem Punkt angelangt, an dem sie sich eine neue Beziehung wünscht. „Ich werde einen Menschen finden, der mich so nimmt, wie ich bin, auch mit meinen Narben“, sagt sie mit voller Überzeugung.

Heute kann sie auch mit anderen über diese schlimmste Zeit ihres Lebens sprechen. Ihre Stimme klingt dabei stark und entschlossen. Sie hat sogar all ihre alten Kontakte, die sie wegen Wolfgang abbrechen musste, reaktivieren können. „Diese Freundschaften“, sagt sie, „sind heute wieder genauso schön wie damals“, also vor Wolfgang. „Mein Leben mit ihm war seit der Hochzeit überwiegend grau. Aber heute sehe ich die Welt endlich wieder in bunten Farben!“


Sonias Tipps für Menschen in toxischen Partnerschaften

  • Vernachlässige nie deine Familie und Freund:innen wegen einer Partnerin oder einem Partner. Möchte sie:er, dass du nur noch Zeit mit ihr:ihm verbringst, fühle dich nicht geschmeichelt, sondern sieh dies als ein deutliches Warnzeichen.
  • Will dein:e Partner:in ein Mitspracherecht bei deinen Kontakten haben, z. B. am Handy oder in Social Media, dann lehne das unbedingt ab. Denn diese Art der Kontrolle führt dazu, dass sie:er dich von deinen Kontakten isoliert.
  • Unternimm auch mal etwas alleine ohne deine:n Partner:in. Gib deine Freizeit nicht vollständig für diesen Menschen auf.
  • Lasse dir dein Selbstvertrauen und dein Selbstwertgefühl nicht nehmen, denn sonst hat ein toxischer Mensch leichtes Spiel. Rückversichere dich dafür immer bei deiner Familie und deinen Freund:innen, wenn dieser Mensch dich kritisiert, dich herabwürdigt und demütigt oder deinen Verstand infrage stellt. Sie werden dir sagen, ob er wirklich recht hat oder nicht – und dadurch kannst du seine Manipulationen vielleicht schon frühzeitig erkennen.
  • Mache dich niemals finanziell von deiner:deinem Partner:in abhängig. Denn es ist zwar immer noch schwer genug, eine toxische Beziehung zu beenden, aber viel leichter, wenn du finanziell auf eigenen Beinen stehst. Erst recht, wenn du eigene oder gemeinsame Kinder hast.
  • Habe keine Angst vor einer neuen Beziehung oder davor, vom Regen in Traufe zu kommen. Sonia ist davon überzeugt, – wenn du erst über die Methoden toxischer Menschen Bescheid weißt, wieder genügend Selbstwertgefühl hast und gut Grenzen setzen kannst –, dass dann bessere Menschen auf dich zukommen werden und die nächste Beziehung sehr liebevoll und verständnisvoll sein wird.

* Alle Namen und wiedererkennbaren Details von Sonias Geschichte wurden von der Redaktion aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und zu Sonias Sicherheit verändert.


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