Woran erkennst du einen toxischen Arbeitsplatz?
Die meisten von uns verbringen ein Drittel jedes Werktags bei der Arbeit. Im Schnitt etwa 40 Jahre lang, insgesamt mehr als 80.000 Stunden. Das ist viel zu viel Lebenszeit, um sie in einem toxischen Arbeitsumfeld zu verbringen. Viele schaffen den Absprung von einem solchen Arbeitsplatz ganz gut. Doch sehr viele bleiben dort hängen.
Manche haben gewichtige Gründe dafür zu bleiben (sie lernen dort fachlich viel, sie können dort Karriere machen, sie benötigen das Geld). Andere sind schon so demoralisiert, dass sie glauben, nirgendwo einen besseren Arbeitsplatz zu finden. Doch sie alle verlieren Stunde um Stunde mehr von sich selbst und ihrer seelischen, emotionalen und körperlichen Gesundheit in den permanenten Scharmützeln mit toxischen Vorgesetzten, Auftraggebenden, Kolleg:innen, Angestellten oder Kund:innen.
Eins solltest du vorab wissen: Es ist nicht deine Schuld, dass sich eine Person dir gegenüber immer wieder respektlos, manipulativ und anderweitig gewalttätig verhält und dich erbarmungslos unter Druck setzt. Nichts davon ist deine Schuld! Diese Schuld trägt einzig und allein der jeweilige toxische Mensch, der sich derart verhält.
Woran erkennst du einen toxischen Arbeitsplatz?
In erster Linie erkennst du einen toxischen Arbeitsplatz daran, dass du dich dort aufgrund eines oder mehrerer Menschen oder aufgrund der Unternehmenskultur nicht wohlfühlst. Vielleicht liebst du die Arbeit an sich. Vielleicht ist dies theoretisch sogar dein Traumjob. Doch die Stimmung im Betrieb, der Umgang einiger Menschen untereinander, die Art und Weise, wie bestimmte Personen dich behandeln, der Druck oder das Chaos lasten sehr auf dir. Vielleicht wirst du nicht als Mensch, sondern nur als austauschbares Objekt, als Nummer behandelt.
Du bist immer auf der Hut
Du hast das Gefühl, bei manchen Menschen immer auf Zehenspitzen gehen zu müssen, weil du nie weißt, welche Laune dich empfängt. Du traust dich nicht mehr, frei heraus zu sprechen. Du wägst alles hundertmal ab und formulierst es zigmal um, bevor du dich äußerst. Auch andere halten den Mund selbst dann, wenn sie mitbekommen, wie jemand in ihrer Anwesenheit misshandelt wird. Du bist immer auf der Hut und erwartest immer das Schlimmste. Womöglich bist du im Lauf der Jahre abgestumpft.
Du wirst trianguliert
Du versuchst, dir einen Durchblick zu verschaffen, wer im Betrieb zu welchem Lager gehört. Du wirst mit Kolleg:innen trianguliert
, um dich unter enormen Druck zu setzen. Angeblich sind die nämlich besser, fehlen seltener, reden weniger und schaffen ihr Pensum schneller als du, strengen sich an, stellen nicht so viele „dumme“ Fragen oder haben die „richtige“ Einstellung. In den meisten Fällen stimmt das nicht, denn wenige sind so fleißig, sorgfältig und gewissenhaft bei der Arbeit wie die Opfer toxischer Menschen. Doch wecken solche Vorwürfe ins dir Zweifel, und du versuchst, dich nun umso mehr zu beweisen.Du wirst über- oder unterfordert
Auf einmal bekommst du die Arbeiten, die du immer gemacht hast, nicht mehr zugeteilt, sondern nur noch irgendetwas Unwesentliches oder etwas, das auch ein:e Praktikant:in machen könnte. Oder du wirst zu Handlungsweisen und Tätigkeiten gedrängt, die du nicht tun willst oder die illegal sind. Oder sie liegen weit außerhalb deiner Expertise, sodass du von vornherein weißt, dass du wahrscheinlich scheitern wirst. Verweigerst du dich oder verlangst du eine Rückkehr zu deinem normalen Pensum, wirst du bestraft, dir wird z. B. mit Versetzung oder Kündigung gedroht. Oder du bekommst plötzlich die ganze Arbeit, die andere nicht machen wollen.
Du und/oder andere werden gemobbt
Vielleicht wirst du auch gemobbt und/oder erlebst, wie jemand anderes gemobbt wird, ohne dass du etwas dagegen tun kannst (mehr zum Thema Mobbing findest du hier). Vielleicht hast du Kolleg:innen, die gegen dich intrigieren. Oder dein:e Vorgesetzte:r schreit dich immer wieder an, wertet dich, deine Kompetenz und deine Leistungen ab und demütigt dich (auch vor anderen). Vielleicht spielt sie oder er mit deiner Wahrnehmung und wirft dir immer wieder vor, dich zu irren, auch wenn du den Nachweis dafür hast, dass deine Fakten stimmen. Vorgesetzte werfen dir vor, immer unpünktlich zu sein, obwohl du nur ein einziges Mal unpünktlich warst. Oder jemand streut Gerüchte über dich, die du nicht aus der Welt schaffen kannst. Du wirst immer wieder bei der Arbeit gestört und mitten im Satz unterbrochen. Jemand gibt deine Ideen immer als ihre oder seine eigenen Ideen aus. Dein:e Vorgesetzte:r steht nur dann hinter dir, wenn du alles besonders gut gemacht hast. Bist du in Schwierigkeiten, wirst du fallengelassen.
Dinge verschwinden
Vielleicht passieren dir merkwürdige Dinge, dass z. B. ein Werkzeug, eine Akte oder Datei im Computer plötzlich verschwunden ist. Oder dein Urlaubsantrag ist angeblich nie eingegangen oder wird aufgrund einer Lappalie abgelehnt. Du erhältst als Einzige:r kein Weihnachtsgeld, angeblich aufgrund eines Software-Problems. Deine Sachen sind unerklärlich dreckig, deine Büropflanzen sterben ab. E-Mails kommen nicht an oder werden dir nicht weitergeleitet. Du wirst nicht (mehr) zu Besprechungen, Festen oder Freizeitaktivitäten eingeladen.
Du wirst isoliert
Termine mit Anwesenheitspflicht oder solche, die nur du durchführen kannst, werden dir angeblich „aus Versehen“ wiederholt nicht mitgeteilt. Vielleicht warst du mit deinen Vorgesetzten oder einigen Kolleg:innen früher richtig dicke, doch jetzt meiden sie dich. Sie geben dir die Schuld für ihre eigenen Fehler, und du musst wegen ihnen immer wieder (unbezahlte) Überstunden machen. In Besprechungen kommst du nicht zu Wort oder deine Einwände, Ideen und Vorschläge werden lächerlich gemacht und abgewimmelt. Möchtest du ganz normale Dinge wie einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach der Probezeit, Überstundenbezahlung oder -ausgleich und Ähnliches, wird gleich ein Fass aufgemacht. Man wirft dir Faulheit vor, hinterfragt deinen Arbeitswillen, dein Engagement am Arbeitsplatz und Gerede darüber macht die Runde. Man macht dir ein schlechtes Gewissen, überhaupt nach diesen Dingen gefragt zu haben. Und man wendet sich von dir ab.
Du kannst keine Karriere machen
Jemand macht dir viele Versprechen, was du alles erwarten kannst in diesem Unternehmen. Doch im Lauf der Zeit merkst du, dass so gut wie keins dieser Versprechen eingehalten wurde. Womöglich wartest du schon seit Jahren auf eine Beförderung, die dir zwar immer wieder zugesagt wird, aber nie kommt. Stattdessen werden andere mit weniger Erfahrung, weniger Expertise befördert. Sprichst du mit deinen Vorgesetzten über deine Pläne, zu kündigen, werfen sie dir Undankbarkeit vor oder sagen dir, du könnest froh sein, dass sie sich überhaupt noch mit dir abgäben. Besser als hier würde es nie werden. Einen neuen Job würdest du nicht finden, denn dich würde eh niemand sonst haben wollen.
Toxische Kundschaft
Auch Selbstständige und Freiberufler:innen haben es häufig mit toxischen Menschen zu tun, insbesondere z. B. mit toxischer Kundschaft. Hier einige Beispiele, woran du toxische Kundschaft erkennen kannst.
Geld ist von Anfang an ein Problem
Hast du ein Erstgespräch mit toxischer Kundschaft, dann findet das Gespräch vielleicht nicht in deren Geschäftsräumen statt, sondern in den Räumen anderer Firmen, mit denen dieser Mensch (angeblich) zusammenarbeitet. Sein Vorschlag für eine Zusammenarbeit besteht daraus, dass du zunächst viel Zeit und unbezahlte (Vor-) Arbeit investieren sollst. Denn erst, wenn du diese Arbeit gemacht habest, könne das eigentliche Geschäft (und damit die Bezahlung) losgehen. Obwohl du Arbeitsproben hast, will er erst einmal, dass du etwas auf ihn Zugeschnittenes erstellst, angeblich um herauszufinden, ob ihr zusammenpasst.
Bei Honorarverhandlungen, in denen du dein Honorar auf einem deiner Expertise entsprechenden Niveau angegeben hast, schreit dieser Mensch entsetzt auf und unterstellt dir, zu Hause wohl von goldenen Löffeln zu essen. Machst du einen Vorschlag, was vom Auftrag du reduzieren oder weglassen könntest, um in der Summe seinen Vorstellungen näherkommen zu können, lehnt er ab. Aber nur, um beim nächsten Gespräch deinen Vorschlag als seinen eigenen vorzustellen.
Abmachungen gelten plötzlich nicht mehr
Habt ihr bestimmte Abmachungen getroffen, hält sich dieser Mensch nicht daran. Bist du telefonisch immer nur von 13 bis 15 Uhr erreichbar, ruft er grundsätzlich zu einer anderen Zeit an. Dann ist er genervt, weil du nicht erreichbar bist, ist aber selbst nicht einmal zu der zugesagten Zeit erreichbar. Führst du deine Arbeit normalerweise alleine aus, will er immer dabei sein (und du fühlst dich völlig zu recht kontrolliert). Dann stört er dich immerzu bei der Ausübung deiner Arbeit – durch Zwischenrufe, Besserwisserei, Blicke, Lärm u. a.
Zusagen werden nicht eingehalten
Toxische Kundschaft macht dir viele Versprechen, z. B. welche lukrativen Aufträge angeblich noch auf dich warten. Dieser Mensch flötet dir ins Ohr, dass er dich unbedingt im Team haben will oder ohne dich gar nicht mehr auskäme. Später „vergisst“ er, deine Rechnungen zu bezahlen oder schiebt den Fehler bei nicht-erfolgten Überweisungen auf die Bank. Und die angeblichen lukrativen Aufträge verpuffen entweder oder er vergibt sie einfach an andere, ohne dich in Kenntnis zu setzen. Und dann meldet er sich gar nicht mehr, ist auch für dich nicht mehr erreichbar.
Nötigungen, Drohungen und Rufmord
Ist deine Arbeit erledigt, fällt einem solchen Menschen ein, dass er doch noch tausend Änderungen haben will – die er dir aber nicht bezahlen will. Er macht deine Arbeit schlecht, kommt aber trotzdem immer wieder auf dich zurück. Er setzt dich häufig unter Druck, nötigt dich zu Dingen, die du nicht tun willst, und zu Arbeitszeiten, die du nicht leisten kannst oder für die du sehr viel opfern musst (z. B. Familienzeit). Häufig versuchen toxische Kund:innen auch, hinter deinem Rücken andere gegen dich aufzuwiegeln, bewerten dich schlecht im Internet (aber unter falschem Namen) und lassen dich bei jeder Gelegenheit wissen, dass es auch noch andere Selbstständige gibt als dich.
>> weiter zu: Die Folgen eines toxischen Arbeitsplatzes
Mehr über die Red Flags und Methoden toxischer Menschen findest du hier.
Und mehr dazu, wie du dich vor diesen Methoden schützen kannst, findest du hier.