LATOU (englisch: DARVO) ist ein deutliches toxisches Warnsignal. Diese Methode ist typisch für toxische Menschen im Umgang mit ihren Opfern, aber leider auch für viele Menschen in Institutionen, die den Opfern toxischer Menschen eigentlich helfen sollten. Was ist LATOU? Und woran kannst du diese Methode erkennen?
Die amerikanische Psychlogie-Professorin Dr. Jennifer Freyd prägte 1997 einen neuen Begriff: DARVO (deutsch: LATOU). In ihrer Forschung zu Täter:innen-Strategien stellte sie fest, dass viele von ihnen eine ganz bestimmte Reihe von Taktiken anwenden. Freyd fand außerdem durch ihre Forschung zum Verratstrauma (englisch: Betrayal Trauma) heraus, dass auch Menschen in Institutionen diese Strategie im Rahmen des Institutionellen Verrats (englisch: Institutional Betrayal) anwenden.
Was ist LATOU (oder DARVO)?
LATOU ist ein Akronym (ein aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Wort) aus diesen Begriffen:
- Leugnung,
- Angriff,
- Täter-Opfer-Umkehr.
Oder beim Englischen „DARVO“: Deny, Attack, Reverse Victim Offender. (Das englische Akronym wird von vielen Leuten hierzulande einfach übernommen, sodass vielen Menschen, die kein Englisch sprechen, die Bedeutung verborgen bleibt. Damit mehr Menschen verstehen können, worum es hier geht, habe ich es ins Deutsche übersetzt.)
Toxische Menschen nutzen diese drei Schritte – L, A und TOU –, wenn sie mit etwas konfrontiert werden, das sie getan haben, für das sie aber (wie meist) nicht geradestehen wollen. Sie nutzen sie dann, um Schuldzuweisungen sich selbst gegenüber möglichst im Keim zu ersticken und um ihr Opfer zu demütigen, zu verwirren und kleinzuhalten.
Menschen in Institutionen nutzen sie den Opfern gegenüber, wenn sie entsprechend geprägt, geschult oder von Vorgesetzten instruiert wurden, wenn dieses Verhalten gang und gäbe in der Institution ist oder wenn sie die Täter:innen schützen wollen. Vielleicht sind sie selbst toxisch, vielleicht wissen sie es nicht besser oder vielleicht haben sie gelernt, (zunächst einmal) so zu handeln.
LATOU (oder DARVO) im persönlichen Umgang
Im persönlichen Umgang kann LATOU z. B. so aussehen:
Leugnung
Du hast herausgefunden, dass dich ein (toxischer) Mensch belogen hat. Du möchtest das nicht einfach so hinnehmen und beschließt, diesen Menschen auf seine Lüge anzusprechen. Er jedoch leugnet, je gelogen zu haben. Vielleicht führt er auch vermeintliche Beweise oder Zeug:innen an, um sich reinzuwaschen. Er sagt dies wahrscheinlich mit so viel Überzeugung, dass du ihm vielleicht jetzt schon glaubst und nicht weiter nachprüfst, ob es diese Beweise oder Zeug:innen überhaupt gibt.
Angriff
Nimmt dieser Mensch wahr, dass du ihm noch nicht so recht glaubst, oder will er auf Nummer sicher gehen, wird er dich nun angreifen. Er wird dir Vorhaltungen machen, was dir eigentlich einfalle, so mit ihm zu reden, ihm so zu misstrauen oder ihn zu verdächtigen. Er wird dir vorwerfen, ihn als Lügner zu bezichtigen, ihm Dinge zu unterstellen, die er nie getan habe, und seinen Ruf zerstören zu wollen.
Täter-Opfer-Umkehr
Wenn du dich verteigen oder erklären möchtest, wird er das entweder nicht zulassen oder dich anschließend selbst der Lüge bezichtigen. Er wird irgendetwas aus der Materialsammlung über dich ziehen, die er sich bislang durch die Methode des Data-Mining
angelegt hat. Das kann ein Fehler sein, den du ihm gegenüber zugegeben hast, ein Versäumnis oder auch eine tatsächliche (Not-) Lüge, die du ihm einmal gebeichtet hast. Irgendetwas aus dieser Sammlung wird er nun dir vorwerfen und den Spieß umdrehen: Nicht er sei der angebliche Lügner, sondern du seist diejenige Person, die am laufenden Band lügen würde. Er habe deine Unehrlichkeit, deine Manipulationen, deine (hier noch zahllose Dinge einfügen, die er dir gerne unterstellt) jetzt wirklich satt. Denn nicht er sei der Schuldige, sondern du!Häufig sind Opfer dann verwirrt und überlegen aufgrund dieses Gaslightings tatsächlich, ob in Wirklichkeit sie Schuld haben. Und sie geraten in eine Verteidigungshaltung, erklären und rechtfertigen sich. Prompt ist die Lüge des toxischen Menschen, um die es eigentlich ging, vergessen, dieser Mensch hat sich aus dem Schussfeld gezogen, dich mitten hineingestellt und dich in eine seiner typischen, nirgendwo hinführenden Endlosdiskussionen verwickelt oder durch die Täter-Opfer-Umkehr direkt mundtot gemacht.
LATOU (oder DARVO) in Institutionen
Institutioneller Verrat geschieht laut Prof. Dr. Freyd dann, wenn eine Institution, von der du abhängig bist oder der du vertraust, dich falsch behandelt oder misshandelt. Manchmal bemerkst du es nicht oder nur kaum, weil du glaubst, dass bis zu diesem Punkt alles mit rechten Dingen zugegangen ist, z. B. wenn ein:e Richter:in trotz klarer Beweise für die Gewalt zugunsten der Täter:innen entscheidet. Manchmal ist es sehr offensichtlich, z. B. wenn du bei der Polizei eine Gewalttat anzeigst und dir trotz Beweisen nicht geglaubt wird. Oder wenn du deinen Vorgesetzten am Arbeitsplatz Mobbing oder sexuelle Belästigung meldest und niemand etwas dagegen unternimmt. Beides kann, so Freyd, sowohl seelische und emotionale als auch körperliche Folgen für dich haben. Im Falle der Polizei könnte LATOU bspw. so ablaufen:
Leugnung
Du zeigst z. B. deine:n Ex-Partner:in bei der Polizei wegen fortgesetzten Stalkings an und stellst anschließend einen Strafantrag. Denn du fühlst dich bedroht und hast Angst oder du willst „nur“ endlich deine Ruhe vor diesem Menschen haben. Stalking ist als Teil der häuslichen Gewalt in Deutschland strafbar. Es kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.
Rein theoretisch müsste ein:e Polizeibeamt:in nach dem Strafantrag Ermittlungen gegen deine:n Stalker:in einleiten. Stattdessen sagt dir diese Person aber vielleicht, dass das doch gar kein Stalking sei, was du da erlebst. Oder dass deine Angaben so unvollständig seien oder harmlos klängen, dass das gar nicht stimmen könne, was du da sagst. Oder dass sie deine:n Stalker:in persönlich kenne und sich gar nicht vorstellen können, dass dieser Mensch so etwas tun würde.
Angriff
Gerade Gewaltopfer erleben es immer wieder, dass sie nicht unterstützt, sondern angegriffen werden. Dass also Menschen innerhalb einer Institution, die für ihren Schutz zuständig sind, nun zur Attacke ausholen. In Verhören wird ihnen vorgeworfen, zu lügen, sich das nur auszudenken, um dem toxischen Menschen zu schaden. Vor Gericht müssen sie sich anhören, dass sie nur von der Prominenz der:des anderen profitieren oder an deren Geld wollten. Oder nach Vergewaltigungen müssen sich viele Opfer anhören, dass sie in Wirklichkeit angeblich freiwillig mitgemacht hätten, sich hinterher dafür schämen würden und deshalb Anzeige erstattet hätten. Viele können sich gegen solche Angriffe kaum oder gar nicht wehren.
Täter-Opfer-Umkehr
Gerade der Vorwurf, dass sie der Person, die sie angezeigt haben, schaden oder sich an ihr bereichern wollten, gerät meist zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Das heißt, die Täter:innen werden zu den „eigentlichen“ Opfern stilisiert, während das tatsächliche Opfer als vermeintliche:r Täter:in dargestellt wird.
All dies kann dazu führen, dass bspw. Ermittlungen nachlässiger geführt oder schneller eingestellt werden oder dass Entscheider:innen wie bspw. Richter:innen oder Vorgesetzte eher gegen das Opfer entscheiden. Es kann auch dazu kommen, dass das Opfer seine Anzeige zurückzieht, und nicht zuletzt dazu, dass ein:e Täter:in im Gegenzug Ermittlungen gegen ihr Opfer einleitet.
Erkennst du also LATOU, die Methode der Leugnung, des anschließenden Angriffs und schließlich der Täter-Opfer-Umkehr, dann sei besonders vorsichtig. Lasse dich professionell beraten, wie du am besten vorgehen solltest. Denn an dieser Stelle kommst du mit deinem ganz normalen „Latein“ keinen Schritt weiter – im Gegenteil: Verhältst du dich jetzt so, wie du dich im Umgang mit normalen Menschen verhalten würdest, schaufelst du dir womöglich eine Grube, aus der du nur schwer wieder herauskommen kannst. Ziehe daher immer Menschen zu Rate, die sich mit toxischen Menschen, mit ihren Methoden wie LATOU (DARVO) und ggf. auch komplexen Posttraumatischen Belastungsstörungen auskennen.