Red Flags/toxische Warnsignale: Empathie-Mangel und selektive Empathie (Stehlampen-Effekt)

Empathie-Mangel und selektive Empathie bei toxischen Menschen sind ein ganz klares Warnsignal. Was ist das alles genau? Was ist mit dem „Stehlampen-Effekt“ gemeint? Woher kommt das alles? Warum verhalten sich toxische Menschen so? Und welche Folgen kann das für dich haben?

Das Signet vom Toxiversum mit einem kleinen SendemastenDieser Text ist ein leicht angepasstes Transkript der Red-Flags-Podcast-Folge „Empathie-Mangel und selektive Empathie“ die du dir hier anhören kannst.

Möchtest du wissen, wie du dich vor Empathie-Mangel und selektiver Empathie schützen kannst, dann findest du hier einen Artikel dazu (Premium).

Was ist Empathie?

Der Begriff stammt aus dem Griechischen: ἐμπάθεια, und er bedeutet ursprünglich Leidenschaft, Leidenschaftlichkeit oder ein intensives Gefühl. Eine Definition, auf die sich die Wissenschaft weltweit hätte einigen können, gibt es für Empathie allerdings bis heute nicht.

Das psychologische Lexikon Dorsch definiert Empathie als:

„das affektive Nachempfinden der vermuteten Emotion eines anderen Lebewesens auf Basis des kognitiven Verstehens dieser Emotion und bei Aufrechterhaltung der selbst andere Differenzierung“.

Das Ganze jetzt nochmal in verständlichem Deutsch: Empathie ist die Fähigkeit, eine bestimmte Emotion, die du in einem anderen Menschen vermutest, ebenfalls zu erleben. Dein Gehirn erkennt und versteht diese vermutete Emotion. Und du kannst sie nachfühlen, du kannst dich einfühlen und dann erlebst du diese Emotion ebenfalls. Du weißt dabei aber, dass du diese Emotion nur miterlebst, dass es eigentlich die Emotion dieses anderen Menschen ist, nicht deine eigene.

Empathie oder Mitgefühl?

Davon grenzt sich das Mitgefühl ab. Beim Mitgefühl erlebst du fürsorgliche Emotionen, die nicht den vermuteten Emotionen des anderen entsprechen.

Also nochmal: Empathie ist das innere Erleben von Emotionen, die den vermuteten Emotionen des anderen Menschen entsprechen. Und Mitgefühl ist dagegen das Erleben von fürsorglichen Emotionen, die nicht denen des anderen Menschen entsprechen.

Ich erläutere das mal an einem Beispiel. Ich war mit meiner Querflöte vor vielen Jahren Teil eines kleinen Orchesters, das klassische Musik spielte. Vier von uns wurden kurzfristig zu einem Quartett gebildet, um die Trauerfeier für jemanden aus unserem Umfeld musikalisch zu begleiten. In der Kirche konnte ich viele sehr ernste und sehr traurige Gesichter sehen. Ich kannte den Verstorbenen zwar nur vom Sehen, aber ich hatte sehr viel Mitgefühl für die, die da getrauert haben.

Erkennen, verstehen, nachempfinden und dann selbst erleben

Aber in dem Moment, in dem wir zu spielen anfangen sollten, hörte ich unten aus dem Kirchenschiff ein lautes Schluchzen. Und da war es vorbei mit mir. Ich hörte dieses Schluchzen, ich habe es verstanden und ich habe es sehr gut nachempfinden können. Und dann habe ich die Emotionen dieser Person miterlebt und angefangen, selbst zu schluchzen. (Was bei einer Querflöte einer Katastrophe gleichkommt, weil du die dann definitiv nicht mehr spielen kannst. Bei der Geige und der Bratsche, selbst bei der Altflöte in unserem Quartett wäre es weniger auffällig gewesen. Aber schluchzend in die Querflöte zu pusten, da kommt kein klarer Ton mehr raus, wenn überhaupt einer rauskommt.)

Ich musste also aussetzen, bis ich mich beruhigt hatte, was ziemlich doof war, weil ich die erste Stimme in diesem Quartett spielte. Ohne die Querflöte fehlte natürlich die erste Stimme der Musik. Ich weiß nicht mehr, ob ich irgendwann wieder eingestiegen bin oder bis zum nächsten Stück ausgesetzt habe. Ich weiß nur noch, dass ich danach nie wieder auf einer Beerdigung gespielt habe. Konzerte ja, Beerdigungen nein. Es wäre jedes Mal wieder so gelaufen.

Ich hatte also zunächst fürsorgliches Mitgefühl für diejenigen empfunden, die einen lieben Menschen verloren hatten und trauerten. Aber das war das Erleben einer Emotion, die nicht den vermuteten Emotionen dieser Menschen entsprach. Mein Mitgefühl war nicht das Gleiche, was diese Menschen empfanden. Ich trauerte ja nicht um diesen Verstorbenen, ich kannte ihn ja nur vom Sehen.

Aber dann kam meine Empathie ins Spiel und ich erlebte innerlich die Emotionen, die denen des schluchzenden Menschen wahrscheinlich ein wenig entsprochen haben.

Persönliche Anwesenheit ist dafür nicht nötig

Interessanterweise muss ein Mensch gar nicht anwesend sein, um dennoch sehr viel Empathie für ihn empfinden zu können. Du kennst es vielleicht, dass du dich in die Emotionen eines Menschen einfühlen kannst, über den du auf Social Media oder in einer Zeitung liest. Oder du fühlst mit einer Filmfigur oder Romanfigur mit, und du kannst diese Emotionen nachfühlen.

Kognitive Empathie & emotionale Empathie

Empathie wird außerdem noch unterteilt und zwar in die kognitive und die emotionale Empathie. Kognitiv bedeutet das Wahrnehmen, das Denken und das Erkennen betreffend. D. h., „kognitiv“ steht für das Wissen und das Verstehen, das aus der Wahrnehmung, dem Denken und der Erkenntnis reift. Im Zusammenhang mit der Empathie bedeutet es kurz gesagt, ich weiß, was du fühlst. Das ist etwas ganz anderes als: Ich fühle, was du fühlst. Und das ist die emotionale Empathie, ich fühle, was du fühlst.

Warum aber ist diese Unterscheidung in kognitive und emotionale Empathie für uns wichtig?

Weil die meisten toxischen Menschen zwar über kognitive Empathie verfügen, d. h. ihr Verstand sagt ihnen, was du fühlst. Sie wissen, was du fühlst. Aber sie verfügen nur über sehr wenig oder sogar gar keine emotionale Empathie. Das heißt, sie können das, was du fühlst, entweder nur in sehr geringem Ausmaß oder gar nicht selbst fühlen. Ihnen fehlt diese Fähigkeit zum Großteil oder sogar fast vollständig. Und haben sie eine psychopathische Persönlichkeitsstörung, dann fehlt ihnen die emotionale Empathie komplett.

Andersherum können sie, wenn sie dich verletzen, sehr gut verstehen, dass sie dich verletzen. Sie haben es ja auch bewusst getan. Sie haben dich bewusst verletzt. Aber sie können es nicht nachfühlen und finden es deshalb nicht so schlimm.

Warum ist das so?

Eines wissen wir sicher: In den Gehirnarealen, in denen sich bei empathischen Menschen sehr viel Aktivität bei der Empfindung von Mitgefühl zeigt, rührt sich bei toxischen Menschen wenig bis gar nichts. Dr. Stefan Röpke von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin konnte z. B. 2013 mit seinen Forschenden nachweisen, dass:

„das Maß an Empathie direkt mit dem Volumen der grauen Hirnsubstanz des entsprechenden kortikalen Repräsentationsfeldes in der Inselregion korreliert“.

Heißt in verständlicherem Deutsch: Je mehr Empathie, desto mehr graue Hirnsubstanz in dem Bereich, in dem sich die Aktivität der Empathie im Gehirn zeigt. Und umgekehrt, je weniger Empathie, desto weniger graue Hirnsubstanz und entsprechend weniger Aktivität in diesem Bereich.

Empathie-Mangel: teils anerzogen, teils genetisch bedingt

Darüber hinaus ist sich die Wissenschaft aber noch nicht sehr einig bei diesem Thema. Manche sind der Ansicht, der Mangel an emotionaler Empathie sei ausschließlich anerzogen, bspw. durch Eltern, die wiederholt Gewalt gegen ihre Kinder ausüben. Die Kinder wiederum lernen, dass ihre Emotionen mehr Gewalt hervorrufen. Oder eine Sektenführung hält ihre Mitglieder durch Gewalt klein. Und die lernen ebenfalls, dass es sehr gefährlich sein kann, unerwünschte Emotionen zu zeigen.

Andere sagen, emotionale Empathie sei zumindest teilweise genetisch bedingt, also erblich. In einer Studie von 2018 fanden Forschende heraus, dass der Mangel an emotionaler Empathie bei etwa einem Zehntel der Teilnehmenden genetische Ursachen hatte. Ihre Ergebnisse unterschieden sich allerdings deutlich von denen einer Zwillingsstudie zwei Jahre zuvor, in der die Forschenden feststellten, dass die Vererbbarkeit emotionaler Empathie bei bis zu 57 Prozent liegt, während die der kognitiven Empathie etwa die Hälfte beträgt. Zu ähnlichen Ergebnissen kam 2020 eine Metastudie von Zwillingsstudien.

Wir können also davon ausgehen, dass wir einen gewissen Teil unserer emotionalen Empathiefähigkeit unseren Genen zu verdanken haben. Das heißt andererseits, dass emotionale Empathie aber auch erlernbar ist. Warum so enorm viele toxische Menschen sie dennoch nicht gelernt haben, ist meines Wissens noch nicht erforscht.

Empathie-Mangel aufgrund von erlebter Gewalt und Vernachlässigung? Nicht immer!

Es kursiert ein untoter Mythos, dass alle toxischen Menschen in ihrer Kindheit Gewalt erlebt hätten oder emotional vernachlässigt worden wären. Das stimmt aber ganz und gar nicht. Würde der Mythos stimmen, dann würden ja alle anderen, die keine Gewalt erlebt haben, auch keine Gewalt ausüben. Warum sollten sie auch? Sie haben ja eigentlich andere Wege des sozialen Miteinanders gelernt. Aber so leicht machen sie es uns leider nicht.

Ja, manche toxische Menschen haben Gewalt in ihrer Kindheit und Jugend erlebt. Und manche wurden emotional stark bis völlig vernachlässigt. Aber sehr viele hatten eine gewaltfreie Kindheit und Jugend, sowohl in ihrem Elternhaus als auch in ihrem Umfeld. Und viele von ihnen wurden sehr geliebt. Sie wurden also nicht zu Gewalt erzogen, üben aber dennoch Gewalt gegen andere aus. Warum tun sie das?

Die enorme Anspruchshaltung toxischer Menschen

Hier kommt unter anderem die ungeheure Anspruchshaltung toxischer Menschen ins Spiel. Die bedeutet, dass sie glauben, etwas Besseres zu sein als die meisten anderen Menschen. Nur ähnlich gepolte Menschen würden sie ihrer Meinung nach überhaupt verstehen können. An sie heranreichen könnte kaum jemand. Alle hätten ihnen gefälligst aus dem Weg zu springen. Alle hätten ihnen klaglos zuzuarbeiten. Ihnen würde alles zustehen, uns dagegen höchstens ein paar schimmelige Brotkrumen. Und wir alle könnten ihrer Ansicht nach froh und dankbar sein, wenn sie sich mit uns wertlosem Pack überhaupt abgeben würden. Tun wir nicht sofort, was sie uns auftragen oder befehlen, dann kann das schnell in Wut, diversen Formen der Gewalt und Racheaktionen enden.

Woher sie diese Anspruchshaltung haben, ist leider auch noch nicht wirklich gut erforscht, wie so vieles rund um das Verhalten toxischer Menschen. Die Narzissmus-Expertin Dr. Ramani Durvasula schreibt in ihrem Buch „It’s Not You“, dass die Anspruchshaltung eins der problematischsten Verhaltensmuster toxischer Menschen sei. Wie viele andere ist sie der Ansicht, dass die Anspruchshaltung aus einer tiefen Unsicherheit toxischer Menschen stammt und aus einem sehr geringen Selbstwertgefühl. Beides sollen sie schon seit ihrer Kindheit haben, sagen viele weitere. Um sich besser fühlen zu können, obwohl sie von anderen gemobbt oder unterdrückt wurden, hätten sie sich diese Anspruchshaltung zugelegt wie eine Art Panzer, der sie vor Verletzungen schützen könnte.

Doch es gibt auch andere Ansichten dazu, wie bspw. die des Psychotherapeuten Dr. Peter Salerno. Er sagt, das mit der Unsicherheit und dem geringen Selbstwert toxischer Menschen träfe längst nicht immer zu.

Und das ergibt auch Sinn, denn sonst müssten ja alle Mobbing- und Gewaltopfer dieser Welt und alle Menschen mit Unsicherheiten und geringem Selbstwert eine wahnsinnige Anspruchshaltung haben. Aber die haben sie natürlich nicht automatisch. Und infolgedessen üben sie auch nicht automatisch Gewalt aus.

Wir müssen also zum einen akzeptieren, dass wir in der Forschung hierzu leider noch keine klaren Antworten bekommen können. Zum anderen müssen wir beides zusammen betrachten: den Mangel an Empathie und die Anspruchshaltung. Denn die kommen immer im Doppelpack. Und beides kann enorme Auswirkungen auf die Opfer toxischer Menschen haben. Auf diese Auswirkungen gehe ich gleich noch ein.

Selektive Empathie oder Was ist der „Stehlampen-Effekt“?

Jetzt möchte ich erst noch ein Phänomen erklären, das ich schon in früheren Folgen erwähnt habe: den „Stehlampen-Effekt“. Das ist kein echter Fachbegriff, aber ich finde, er beschreibt ganz gut, was da vor sich geht. Es geht hier nämlich um die selektive Empathie toxischer Menschen. Du hast eben erfahren, dass toxische Menschen über sehr wenig oder sogar gar keine emotionale Empathie verfügen. Aber sie verfügen in aller Regel über kognitive Empathie. Sie verstehen also bspw., wenn es dir schlecht geht. Aber sie können sich nicht einfühlen.

Viele Kinder kennen es z. B., dass das toxische Elternteil ein Geschwisterkind stark bevorzugt und sie selbst dagegen häufig unterirdisch behandelt. So reden die Eltern in liebevollem Ton mit dem einen Kind und einen Sekundenbruchteil später schnauzen sie andere Kind an, nur um wieder einen Sekundenbruchteil später dem Lieblingskind irgendwas ins Ohr zu flöten (mehr zu diesen Familiendynamiken kannst du hier lesen).

Du kannst dieses Verhalten auch in Annettes Beispiel sehen, deren Geschichte du hier nachlesen kannst. Annettes Mutter hatte wenig bis gar keine Empathie für ihr Kind, für seine Bedürfnisse oder seine Nöte. Für ihre Kaninchen aber hatte sie jede Menge Zeit, Zuwendung und das bisschen Empathie übrig, das sie aufbringen konnte.

Und genau so handeln toxische Menschen auch Erwachsenen Opfern gegenüber, in der Partnerschaft, in der Nachbarschaft, bei der Arbeit oder sonstwo. Sie knipsen ihre Empathie selektiv mal an, mal aus, mal an, mal aus.

Wie kann sich der Empathiemangel sonst noch zeigen?

Bei toxischen Eltern zeigt er sich darin, dass sie oft wenig oder überhaupt keinen Bezug zu ihren Kindern haben. Sie interessieren sich nicht für sie, und die Kinder dürfen weder eine eigene Persönlichkeit noch eigene Gefühle haben und schon gar keine großen Gefühle. Diese Eltern waren zwar selbst mal Kinder, aber sie können sich nicht in die Welt ihres Kindes einfühlen.

Keine Empathie für das schreiende Baby

Sie sehen, dass ihr Kind schreit, und sie verstehen, dass es irgendeinen Grund dafür hat, dass es z. B. Hunger hat oder ihm unwohl ist, vielleicht weil die Windel nass ist. Und sie verstehen, dass es nun ihre Aufgabe wäre, den Hunger zu stillen oder die Windel zu wechseln. Aber häufig geht ihnen das Geschrei einfach nur gehörig auf die Nerven. Sie haben den Anspruch, dass das Baby gefälligst still zu sein hat. Manche stellen das Kind irgendwo hin, ignorieren es und lassen es so lange hilflos schreien, bis es vor Erschöpfung einschläft. Andere werden körperlich gewalttätig, was das Schreien natürlich meistens verstärkt und den Hass des Elternteils auf das Kind wiederum noch schürt.

Dass ein Kind liebevolle Zuwendung, Berührung, Wärme, Sicherheit und bedingungslose Liebe benötigt, geht an ihnen oft total vorbei. Auch wenn sie die Bedürfnisse des Kindes verstehen, können sie sich nicht genug einfühlen, um sie zu erfüllen oder um sie erfüllen zu wollen. Denn Verstehen heißt nicht automatisch, das Notwendige zu tun. Das würden sie oft nur dann tun, wenn sie einen Nutzen davon hätten oder wenn es ihrem Image dienen würde.

Keine Empathie für dein Befinden

Bist du in einer Partnerschaft mit einem toxischen Menschen, dann wirst du es vielleicht immer wieder erleben, dass dieser Mensch keine Empathie für deine Situation hat. Er fordert etwas von dir, das du gerade nicht geben kannst. Z. B. will dieser Mensch Sex haben, aber dir ist absolut nicht danach, weil du einen sehr anstrengenden Arbeitstag hattest und einfach nur k. o. bist und schlafen möchtest. Dennoch besteht dieser Mensch auf Sex, setzt dich unter Druck, nötigt dich und wird wütend, wenn er den trotzdem nicht bekommt. Denn es geht ihm dabei nicht um dich und deine Bedürfnisse, sondern ausschließlich um sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse. Er kann sich zwar in deine Situation reindenken, aber er kann sich nicht reinfühlen.

Ähnlich ist es, wenn du krank bist und im Bett liegst. Dieser Mensch versteht das, aber es ist ihm egal, denn er kann sich nicht einfühlen. Also mault er rum, knallt unwillig mit den Türen, sagt dir, du solltest dich nicht so anstellen, eine Kopfschmerztablette würde es auch tun. Und lädt dann für den Abend 20 Leute zu einer Party zu euch ein. Oder möchtest du ins Krankenhaus, dann weigert er sich womöglich, dich zu fahren oder auch nur ein Taxi zu rufen.

Stehlampen-Effekt statt echter emotionaler Empathie

Oder ihr seid gemeinsam zu einer Party eingeladen. Auf dem Weg dorthin bricht dieser Mensch wegen irgendeiner Lappalie einen Streit vom Zaun. Hier kommt der Stehlampen-Effekt wieder ins Spiel: Denn der toxische Mensch knipst seine Wut einfach aus, sowie er das Haus betritt, in dem die Party stattfindet. Er feiert ausgelassen, fröhlich und entspannt. Aber seid ihr einen Moment unbeobachtet oder schon auf dem Weg nach Hause, dann knipst dieser Mensch seine Wut wieder an und macht dir Vorwürfe, weil andere dir bei der Party angemerkt haben, dass du von dem Streit mitgenommen warst.

Keine Empathie bei der Arbeit

Mangelnde Empathie gibt es natürlich auch bei der Arbeit. Hast du z. B. einen schweren Krankheitsfall in deiner Familie und bittest deine Arbeitgeberin um ein paar freie Tage, kann die sich nicht in deine Not einfühlen. Sie versteht, dass da jemand schwer krank ist. Aber es ist keine Person, die ihr nahesteht, und sie kann sich nicht einfühlen. Also kann es dir passieren, dass sie dir nicht freigibt. Oder wenn sie dir freigegeben hat und du komplett k. o. und urlaubsreif wieder zurückkommst, kann es sein, dass sie dich über die Maßen einspannt, damit du das nachholst, was du versäumt hast. Womöglich bezeichnet sie es sogar als Urlaub, was du gerade hinter dir hast.

Empathie „schränkt die Freiheit ein“

Hast du einen toxischen Nachbarn, dann dreht der seine Musik jeden Abend stundenlang auf volle Lautstärke und feiert Partys genau über deinem Schlafzimmer bis tief in die Nacht. Bittest du ihn, dass er die Musik leiser stellen soll, dann versteht er die Tatsache, dass die Musik zu laut ist. Das weiß er auch von vornherein. Aber es interessiert ihn nicht, denn er kann sich nicht einfühlen. Bittest du ihn, dass er Kopfhörer aufziehen möge, denn für so etwas wurden die schließlich erfunden, dann schwafelt er wütend irgendwas von seiner Freiheit, die du gerade unzulässigerweise versuchst einzuschränken. Und das käme ja gar nicht in Frage.

Empathie-Mangel: Tiere als Manipulationsmittel

Und ein letztes Beispiel für Empathiemangel ist der Umgang vieler Menschen mit Tieren. Viele toxische Menschen, aber nicht alle, neigen zur Tierquälerei, der bewussten Zufügung von Schmerzen, nur weil sie es können, weil sie die Macht haben. Viele üben diese Gewalt auch gerne an Haustieren aus, um ihre Partnerin oder ihren Partner damit zu verletzen, um sie zu manipulieren und um Rache an ihnen zu üben.

Diese toxischen Menschen haben für beide, Mensch und Tier, nicht ein Atömchen an Empathie übrig. Und wir müssen leider davon ausgehen, dass Menschen, die diese grundlegende Empathie nicht haben, immer toxisch sind. Also zermürbend, schädlich oder sogar zerstörerisch. Dass sie nicht nur den Tieren gegenüber so kaltherzig sind, sondern auch mindestens ihren primären menschlichen Opfern gegenüber.

Und, man kann es nicht oft genug sagen, wenn ein toxischer Mensch seiner Partnerin oder seinem Partner gegenüber Gewalt ausübt, dann übt er diese Gewalt auch seinen Kindern gegenüber aus. Toxische Menschen kennen da keine Grenzen, niemals.

Toxische Menschen erkennen und verstehen sehr genau, was sie tun

Diese Menschen haben also wenig bis keine Fähigkeit, mit anderen Menschen oder Tieren mitzufühlen oder sich in sie einzufühlen. Auch dann nicht, wenn sie selbst ihnen schwerste Verletzungen zufügen. Aber sie haben, wie schon gesagt, die Fähigkeit zu kognitiver Empathie. Manche mehr, manche weniger.

Das heißt, sie erkennen und verstehen in der Regel sehr genau, was sie tun. Sie verstehen, dass ihr Verhalten anderen schadet und sie verletzt. Und wer es nicht so richtig erkennt und nicht so richtig versteht, kann es schon allein daran erkennen, dass das Opfer es ihnen immer und immer wieder mitteilt, durch emotionale Reaktionen zeigt und sie bittet oder sogar anfleht, ihr Verhalten endlich zu ändern. Aber es berührt und interessiert sie nicht. Der aus dem Mangel an emotionaler Empathie gewachsene, ausgeprägte Egoismus und ihre Anspruchshaltung lässt sie meistens nicht weiter als bis zu ihrer eigenen Nasenspitze schauen.

Kann ein Appell an ihre geringe Empathie funktionieren?

Vielleicht denkst du, dass es bei einem toxischen Menschen, der immerhin noch ein Fünkchen Empathiefähigkeit hat, in schwierigen Situationen möglich sein könnte, an seine Empathie zu appellieren. Aber das, muss ich dir sagen, wird selten funktionieren. Denn du müsstest diesem Menschen im Gegenzug dafür etwas bieten, was er unbedingt haben will. Einfach so wird er sich dir gegenüber so gut wie nie empathisch verhalten. Er wird immer etwas dafür fordern, früher oder später. Denn für ihn ist alles Transaktion, also ein Tauschgeschäft. Er gibt dir etwas und du musst es ihm tausendfach zurückzahlen.

Bist du in einer Situation, in der du seine Empathie unbedingt benötigst, dann wirst du wahrscheinlich selten die Kraft und die Nerven haben, mit dem toxischen Menschen um seinen Teil dieses Tauschgeschäfts zu verhandeln.

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Welche Folgen kann der Mangel an Empathie bzw. die selektive Empathie (der Stehlampen-Effekt) eines toxischen Menschen für dich haben?

Kinder, die mit empathielosen Eltern aufwachsen müssen, bekommen keine bedingungslose Liebe und empathische Zuwendung von diesen Eltern. Sie erleben in den prägenden Jahren und darüber hinaus auch nie emotionale Sicherheit und Stabilität. All das bräuchten sie aber, um zu gesunden Erwachsenen heranzureifen. Und das kann schwerwiegende Auswirkungen auf ihr restliches Leben haben.

Krankheiten, Angst, kein Vertrauen, keine Nähe

Es kann Menschen sogar krank machen, wie es z. B. der ungarisch-kanadische Arzt und Trauma-Experte Dr. Gabor Maté in seinem Buch »Wenn der Körper Nein sagt« beschreibt. Aber auch als Erwachsene erleben wir einen solchen Menschen häufig als gefühlskalt, abgesehen von seinen Wutausbrüchen und seinem Selbstmitleid. Es kann sein, dass du dein Leben lang Angst vor diesem Menschen hast, denn er fühlt und agiert nicht wie die meisten anderen Menschen, die du kennst. Und weil du vielleicht sehr lange nicht weißt, was mit dem toxischen Menschen nicht stimmt, wirst du diese Angst nie so richtig los. Diese Angst kann sich auch auf andere Situationen mit ganz anderen Menschen übertragen. Du wirst dich vielleicht nicht so leicht mit anderen sicher fühlen und ihnen vertrauen können. Und vielleicht kannst du auch keine Nähe zulassen.

Der Grundstein für weitere toxische Beziehungen

Keine ehrliche Wärme und Zuwendung zu erleben, kann auch den Grundstein für weitere toxische Beziehungen legen. Du hältst dann unempathisches, gewaltvolles Verhalten, ob körperlich oder psychisch, womöglich für so normal, dass du es gar nicht von gesundem Verhalten unterscheiden kannst. Und so erlebst du immer mehr Gewalt.

Geringer Selbstwert

Hinzu kommt, dass natürlich auch dein Selbstwert leiden und großen Schaden nehmen kann. Denn unempathische Menschen neigen dazu, ihre primären Opfer immer wieder zu kritisieren, herabzuwürdigen und zu demütigen. Sie sehen und bemängeln noch den kleinsten deiner Fehler, selbst wenn er noch so unerheblich oder menschlich ist.

Sie lehren dich, dass du nichts wert seist und dass niemand anders jemals irgendeinen Wert in dir sehen würde, außer ihnen. Nur sie würden sich noch mit dir abgeben, wofür sie natürlich im Gegenzug Dankbarkeit erwarten. Es ist ja eine Transaktion. Anders gesagt, du sollst dankbar für die Gewalt sein, die sie dir antun.

Überlebensreaktionen, um zu überstehen

Du wirst wahrscheinlich in der Beziehung mit dem toxischen Menschen eine der vier typischen Überlebensreaktionen zeigen: Kampf, Flucht, Erstarrung oder Unterwerfung oder eine Mischung davon. Wir zeigen diese Reaktionen, weil sie es uns ermöglichen, in solchen Beziehungen überhaupt zu überstehen.

Vernachlässigung der Selbstfürsorge

Alles das kann zur Folge haben, dass du deine Selbstfürsorge vernachlässigst, deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche aus den Augen verlierst oder hinten anstellst, weil du glaubst, es nicht wert zu sein. Weil du vielleicht glaubst, keine Empathie für dich selbst empfinden zu dürfen.

Rückzug, keine langen Freundschaften

Es kann auch sein, dass du dich zurückziehst, weniger am Leben teilnimmst, als du eigentlich gerne teilnehmen würdest. Dass du keine lang anhaltenden Freundschaften knüpfen kannst, weil du gelernt hast, andere Menschen genauso kaltherzig beurteilen und in ein „Wir“ und ein „Die“ einteilen zu müssen, obwohl es dir überhaupt nicht liegt.

Kein Rückhalt im Umfeld

Dann kann hinzukommen, dass du auch den Rückhalt deines Umfelds verlierst, weil diese Menschen nicht verstehen, warum du dich zurückziehst oder warum du dich so verhältst, wie du es tust. Und so wirst du immer isolierter.

Depressionen, Selbstverletzungen, Suchtverhalten

Das wiederum kann zu psychischen Problemen wie z. B. Depressionen führen oder zu Selbstverletzungen. Denn zum einen weißt du selbst gar nicht, was wirklich mit dir los ist, und wirst womöglich immer unglücklicher und verzweifelter und siehst keinen anderen Ausweg. Zum anderen hast du vielleicht nie gelernt oder es wieder verlernen müssen, deine Gefühle bestmöglich selbst zu regulieren. Dann fängst du womöglich an, die emotionale Kälte dieses Menschen dir gegenüber durch Alkohol, Zigaretten, Drogen oder zu wenig oder zu viel Essen zu dämpfen.

Rückzug in eine Traumwelt oder in eine Besessenheit

Du ziehst dich vielleicht zurück in eine Traumwelt, nimmst kaum am realen Leben teil, weil das Leben in deinem Kopf oder in Filmen oder Büchern so viel schöner, empathischer, wärmer und liebevoller ist. Vielleicht entwickelst du auch eine Besessenheit für irgendeine Tätigkeit, ein Hobby, einen Sport oder deine Arbeit. Ziehst du dich auf diese Weise schon seit deiner Kindheit zurück, verpasst du womöglich viele Lebensstationen und Erlebnisse, die für andere Menschen ganz normal sind. Und das wiederum kann zu mehr Rückzug oder mehr Besessenheit führen.

Körperlich: Fehlfunktionen wichtiger Organe

Die Empathielosigkeit toxischer Menschen kann aber auch zu körperlichen Problemen führen, die häufig die Haut, den Magen-Darm-Trakt, dein Nervensystem oder dein gesamtes Immunsystem betreffen können. sie alle können Fehlfunktionen entwickeln, die dein Leben stark beeinträchtigen oder sogar nach und nach zerstören können.

Verwirrung durch Gaslighting

Und der Stehlampen-Effekt, also das selektive An- und Ausknipsen des rudimentären, empathischen Verhaltens toxischer Menschen, kann dich nicht nur sehr verletzen und deinen Selbstwert komplett pulverisieren. Es kann dich auch enorm verwirren, weshalb dieser Effekt auch zu der Red Flag des Gaslightings gehört. Gaslighting ist das gezielte Untergraben deiner Wahrnehmung, deines Instinkts, deiner Erinnerungen und deiner Erfahrungen mit dem Ziel, dich stärker kontrollieren und dominieren zu können und mehr Macht über dich zu bekommen. Zum Gaslighting verlinke ich dir unten ein paar Artikel.

Es liegt nicht an dir!

Hast du es mit einem unempathischen, toxischen Menschen zu tun oder einem, der seine Empathie wie eine Stehlampe an- und ausknipst, dann möchte ich, dass du weißt, dass das nicht an dir liegt. Es ist völlig egal, was du sagst oder wie du dich verhältst: Es liegt nicht an dir. Auch die Gewalt, die dir dieser Mensch aufgrund seines Empathiemangels und seiner Anspruchshaltung antut, ist nicht deine Schuld.

Aber ich hoffe, du kannst diese Red Flag jetzt etwas besser erkennen und einordnen, als ein Problem, das der toxische Mensch hat.

Und vergiss bitte nicht: Toxische Menschen wissen in aller Regel, wie man sich anständig, respektvoll und gewaltfrei verhält. Sie knipsen das ja auch an und aus, wie es ihnen gerade nützt. Ihre häufig vorgebrachten Rechtfertigungen für ihr gewalttätiges Verhalten, die vermeintlich schlimme Kindheit und angebliche eigene Gewalterfahrungen sind oft frei erfunden.

Und selbst dann, wenn sie nicht erfunden sind, wüssten diese Menschen im Allgemeinen sehr genau, wie sie sich dir gegenüber gewaltfrei und mit Anstand und Respekt verhalten sollten. Denn das sind grundlegende Werte, die wir in unserer Gesellschaft von Kindesbeinen anlernen. Und in der Love-Bombing-Phase oder in den Phasen dazwischen, in denen sie immer wieder mal nett und lieb und respektvoll zu sein scheinen, zeigen sie ja, dass sie wissen, wie es geht. Dass sie sich dann trotzdem nicht so verhalten, ist, wie gesagt, nicht deine Schuld!


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