Gemeinsamkeiten und Unterschiede von toxischen Menschen und Sekten

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von toxischen Menschen und Sekten werden immer wieder debattiert. Einige meinen, zwischen beiden lägen himmelsweite Unterschiede. Andere sagen, es gäbe fast nur Gemeinsamkeiten. Was stimmt denn nun? Und was für Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es?

Lassen sich Sekten und toxische Menschen überhaupt vergleichen? Viele sind der Ansicht, dass ein solcher Vergleich unzulässig sei. Als Begründung führen sie dann Sektenführer an, die viele Menschen in den Tod getrieben oder ermordet haben, wie Jim Jones oder Charles Manson. Oder die andere Formen der Gewalt gewählt haben wie Paul Schäfer von der Colonia Dignidad in Chile. Und die könne man doch nun wirklich nicht mit der Narzisstin in der eigenen Familie oder dem Psychopathen von nebenan gleichsetzen. Doch geht es hier gar nicht ums Gleichsetzen oder einen Wettbewerb, wer schlimmeres Leid anrichtet, die einzelne Person oder die Sekte. Es geht vielmehr darum, zunächst herauszufinden, was sie tatsächlich gemeinsam haben. Und darum, woran man diese Gemeinsamkeiten erkennen kann. Z. B., um sie bei der nächsten Begegnung großräumig zu meiden.

Gemeinsamkeiten von toxischen Menschen und Sekten

Die Psychotherapeutin Dr. Ramani Durvasula sagte 2020 in dem Podcast „Red Table Talk“, in einer Beziehung mit einem narzisstischen Menschen zu sein, sei wie in einer Sekte zu sein. Und sie ist längst nicht die einzige Expert:in, die das sagt.

Aber was sind denn dann die Gemeinsamkeiten? Und wie finden wir die heraus? Dazu nehme ich hier einmal das VIGE-Modell (Original: BITE Model) des Sektenexperten Dr. Steven Hassan zu Hilfe. Er sagt, dass jede Sekte oder sektenähnliche, autoritäre Gruppe (in der Folge zusammengefasst „Sekten“ genannt) vor allem durch eine Methode geprägt ist: Kontrolle. Diese Kontrolle erstreckt sich hauptsächlich auf vier Bereiche:

VIGE-Modell (dt.)BITE Model (engl.)
VerhaltenskontrolleBehaviour Control
InformationskontrolleInformation Control
GedankenkontrolleThought Control
Emotionale KontrolleEmotional Control

Und genau diese vier zeigen sich auch in vielen toxischen Beziehungen. Die folgenden Beispiele sind nur einige der Arten von Kontrolle, die Sekten und toxische Menschen ihren Opfern gegenüber ausüben. Es treffen häufig nicht alle dieser Beispiele zu, doch sind die Muster insgesamt einander meist sehr, sehr ähnlich.

Verhaltenskontrolle

Das Verhalten eines Menschen kontrollieren zu können, ist ein umfrangreiches Unterfangen.

  • Dementsprechend stellen toxische Menschen und Sekten alle denkbaren Regeln auf, um dich zu zwingen, dich genau so zu verhalten, wie du es willst. Sie lassen es aber immer so aussehen, als hättest du dich freiwillig und bewusst dafür entschieden, dich so zu verhalten.
  • Dann beobachten und überprüfen sie dein Verhalten konstant. Sie stellen dir Fallen und treiben dich an den Rand deiner Grenzen oder darüber hinaus.
  • Hältst du dann ihren Ansprüchen nicht stand und verstößt gegen ihre (oft absurden und extrem strikten, kleinlichen) Vorschriften, wirst du bestraft. Diese Strafen können sehr unterschiedlich ausfallen, von aggressivem Schweigen über das Wegnehmen von Gegenständen, von Privilegien und Zugängen bis hin zu Degradierung, strikten Verboten (z. B. bestimmte Menschen zu treffen, bestimmte Dinge zu tun), körperlicher Gewalt und zum Einsperren. Und sie behaupten, das sei nur zu deinem Besten oder zum Besten eurer Beziehung/der Sekte.
  • Damit du nicht an ein Ende der Beziehung oder der Mitgliedschaft in der Sekte denkst, und damit du nicht aufhörst, dich über alle Maßen für diesen Menschen oder diese Sekte einzusetzen, nutzen sie intermittierende Verstärkung. D. h., haben sie dich bestraft, hält dieser Negativzustand nicht lange an. Stattdessen versuchen sie, dich durch Hoovering Fragezeichen © Toxiversum, durch freundliches, zugewandtes Verhalten, durch eine Beförderung oder eine andere Art Belohnung wieder auf Linie zu bringen.
  • Sie schränken auf vielfältige Weise deine Freiheit ein:
    • Sie überreden/drängen/nötigen dich oder schreiben dir vor, welche Kleidung du tragen sollst, welche Frisur, welche Accessoires und welches Make-up (oder gar keins).
    • Sie bestimmen, wann, unter welchen Voraussetzungen und mit wem du Sex haben darfst; ja, auch in einer toxischen Partnerschaft (denk nur mal an „Loverboys“ und Zuhälter, aber „normale“ toxische Partner:innen sind sich dafür auch nicht zu schade).
    • Du darfst nicht alles, was dich selbst angeht, selbst entscheiden. Du musst ihre Zustimmung oder Erlaubnis einholen, um bestimmte Dinge zu tun.
    • Sie bestimmen über deine Gesundheit, indem sie dir „nahelegen“ oder offen vorschreiben, welche medizinischen Verfahren und Medikamente du nutzen, wann du ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und welche Ärzt:innen du zu Rate ziehen darfst.
    • Sie hindern dich daran, zu gehen, wann du willst, wohin du willst und mit wem du willst. Dazu müssen sie dich gar nicht notwendigerweise einsperren – es genügen auch abfällige Bemerkungen und Blicke, um dich dazu zu bringen, den Kontakt zu einer missliebigen Person zu reduzieren oder abzubrechen.
    • Dein Verhalten muss strikte Grenzen haben, und sie erwarten von dir oder drängen dich dazu, dass du dir diese Grenzen mit der Zeit selbst setzt (falls nicht, wirst du bestraft).
  • Sie isolieren dich von anderen. Häufig malen sie die anderen dir gegenüber in den schlimmsten Farben aus, behaupten, die seien dir gegenüber feindlich eingestellt und würden dir und dem toxischen Menschen/der Sekte nur schaden wollen. Manchmal verbieten sie dir sogar den Umgang mit ihnen. Und manchmal ist die Isolierung nicht ganz so offensichtlich. Dann genügt es schon, dass sie mit den Augen rollen oder genervt stöhnen, wenn du von einem Menschen sprichst, dem du vertraust. So verhindern sie, dass du anderen erzählst, was dir geschieht. Und dass diese dir aus der Beziehung oder Sekte wieder raushelfen.
  • Sie bestimmen, wie viel Schlaf du bekommst. Sie diskutieren die halbe Nacht lang mit dir im Kreis, sie wecken dich mitten in der Nacht oder sehr früh morgens auf, und sie geben dir so viel Arbeit, dass du, um Strafen zu vermeiden, bis in die Puppen schuftest, bevor du für wenige Stunden schlafen gehen kannst.
  • Sie erlegen dir immerzu Aufgaben und Termine auf. Dein Tag hat oft gar nicht genug Stunden, um alles zu schaffen. Muße und Zeit zur Erholung, für Freizeitaktivitäten oder Unternehmungen mit Familie und Freund:innen bleibt dir oft nicht, denn du bist die meiste Zeit im Dienste des toxischen Menschen bzw. der Sekte unterwegs.
  • Sie üben finanzielle Gewalt aus (s. dazu auch „Was ist häusliche Gewalt? Und woran erkennst du sie?“). Entweder durch Ausbeutung, d. h. du erhältst kein oder viel zu wenig Geld für all deine Arbeit. Oder sie machen dich finanziell von ihnen abhängig, z. B. indem du ihnen deine Finanzangelegenheiten überlässt – vielleicht machen sie deine Buchhaltung/Steuer, haben Zugang zu deinen Konten, Geldkarten und Sparverträgen, oder du übergibst ihnen dein Erspartes im Vertrauen darauf, dass sie es wie versprochen für die richtige oder eine gute Sache einsetzen (die „gute Sache“ ist aber meistens die Füllung ihres eigenen Kontos mit deinem Geld).
  • Gebetsmühlenartig reden sie dir ein, dass nur ein Weg zum Ziel führt: ihr Weg. Du sollst alles so machen wie sie – bzw. nur so, wie sie es nach außen hin tun (für eine „gute Sache“ eintreten, anderen Menschen zu dem Besten verhelfen, das ihnen passieren kann, usw.). Das, was sie hinter den Kulissen tun (sich z. B. auf Kosten anderer zu bereichern), sollst du natürlich nicht nachmachen – aber was das alles ist, in welchem Ausmaß, wirst du wahrscheinlich ohnehin erst nach deinem Ausstieg erfahren.
  • Sie projizieren Fragezeichen © Toxiversum ihre eigenen Gefühle auf dich. Sind sie eifersüchtig, werfen sie es dir vor (in aller Regel völlig ohne Grund). Verstoßen sie gegen ihre eigenen Regeln, werfen sie es dir vor. Viele toxische Menschen und Sekten sind bspw. von Sexualität oder sexuellen Handlungen geradezu besessen. Hast du jemandem freundlich zugenickt, behaupten sie, du habest mit dieser Person bereits geschlafen, und belegen dich mit Schimpfworten wie „Hure“ und bestrafen dich. Doch in Wirklichkeit verhalten sie selbst sich so, nicht du. Machen sie aber dir solche Vorwürfe, schränkst du dein Verhalten zukünftig noch stärker ein, um nicht erneut ihren Zorn, ihre Strafen oder ihre Rache auf dich zu ziehen.

Informationskontrolle

Um dein Verhalten leichter kontrollieren zu können, reglementieren toxische Menschen und Sekten möglichst alle Informationen, die du zu lesen und zu hören bekommst. Das heißt z. B.:

  • Sie wählen aus, welche Informationen du zu allen möglichen Themen erhältst und welche nicht. Sie „legen dir nahe“ bzw. schreiben dir vor, welche Themen überhaupt die „richtigen“ und „wichtigen“ für dich seien, und wo du die „richtigen“ und „wichtigen“ Infos dazu finden kannst.
  • Sie sind der Ansicht, dass ihre Informationen die einzig richtigen und wichtigen sind, da sie sich für erheblich klüger halten als dich und die meisten anderen Menschen. Sind sie religiös oder spirituell unterwegs, behaupten sie, erleuchtet zu sein, eine Vision oder einen Traum gehabt zu haben, der ihnen (und damit dir) die Richtung gewiesen hat.
  • Sie dosieren die Informationen. Du bekommst also nicht immer alle tatsächlich notwendigen Informationen, sondern nur die, die ihnen und ihren Zielen nützen.
  • Dazu fabrizieren sie alle möglichen Lügen, mit denen sie dich füttern, täuschen und die Realität verdrehen, damit du ihnen mehr glaubst als bspw. tatsächlichen Fachleuten. Und sie hängen ihr Fähnchen in den Wind: Wird ihnen irgendetwas zu heikel (z. B. weil jemand berechtigte Kritik geübt hat oder das Finanzamt oder die Polizei auf der Matte steht), dann bestreiten sie, das je gesagt zu haben und behaupten etwas anderes, häufig sogar das Gegenteil.
  • Sie beschränken deinen Zugang zur freien Presse, zum Internet, Fernseher, Radio usw. Oder sie manipulieren dich so weit, dass du diesen Zugang selbst beschränkst.
  • Sie überprüfen deine Kommunikation, indem sie bspw. dein Handy überwachen, deinen Rechner, dein Telefon, deine Post und deine Kontakte. So stellen sie sicher, dass du anderen nichts „Falsches“ erzählst.
  • Bist du ihnen auf der Spur oder versuchst du, fundierte, weiterführende Informationen zu deiner eigenen Kritik zu finden, lassen sie dir – so sie es mitbekommen – keine Ruhe, um das nachzurecherchieren oder zu überprüfen. Ertappen sie dich, bestrafen sie dich meist auf irgendeine Weise.
  • Sie ermuntern oder nötigen dich und andere, ihnen alles zu petzen, was gegen die Regeln verstößt. Und sie ermuntern oder zwingen dich und andere dazu, andere Menschen auszuspionieren und ihnen brühwarm zu berichten.
  • Sie sammeln möglichst viele Informationen über dich (Data-Mining Fragezeichen © Toxiversum). Am meisten sind sie an deinen Fehlern und Schwächen interessiert und an den Dingen, mit denen sie dich zukünftig erpressen können. Sie legen teilweise sogar ganze Akten mit allen Informationen über dich und andere an. Sie sammeln all deine Briefe oder Mails und Nachrichten, um dir Ausschnitte daraus irgendwann vorzuhalten. Diese ganzen Infos nutzen sie als Waffe und Druckmittel, wenn du mal nicht so spurst, wie sie es wollen.

Gedankenkontrolle

Um die Gedanken anderer zu kontrollieren, hat sich für toxische Menschen und Sekten vor allem eine Methode als ideal herauskristallisiert: die Gehirnwäsche. D. h.:

  • Sie geben dir vor, was du denken sollst. Nicht immer machen sie das so durchsichtig wie mit einem Regelwerk, das sie dir als „das einzig Richtige/Wahre“ in die Hand drücken. Häufig tun sie das eher subtil, z. B. in scheinbare Ratschläge und Vorschläge verkleidet, aber auch bspw. mit Hilfe von Abwertungen und Demütigungen.
  • Sie halten viele belehrende Vorträge/Predigten, in denen sie sich selbst als die Klügsten, Ehrlichsten, Auserwählten darstellen. Außenstehende und deine Vertrauten stellen sie als falsch, hintertrieben und dem Untergang geweiht hin.
  • Sie erzeugen ein Gefühl von „Wir gegen Die“, wobei „die“ all jene sind, die nicht Teil der Gruppe sind oder nicht vorbehaltlos auf der Seite des toxischen Menschen stehen.
  • Sie zeichnen sich oft durch ein oberflächliches, und eher schlichtes Weltbild, aber insbesondere durch ein starkes Schwarz-Weiß-Denken aus, ein Entweder-Oder, ein Für oder Gegen.
  • Sie geben dir und anderen Namen, mit denen sie dich fortan ansprechen. Häufig sind diese Namen oder Spitznamen pejorativ (also abfällig oder abwertend), doch sie tun das als Scherz ab oder behaupten, der Name sei nur positiv/lieb/aufwertend gemeint (was Gaslighting Fragezeichen © Toxiversum ist).
  • Sie verschleiern deine Realität, indem sie dich mit ihrer eigenen Realität, ihrem eigenen Weltbild indoktrinieren.
  • Sie manipulieren dich durch Sprache. Zum einen nutzen sie oft eigene, beziehungs- oder sekteninterne Begriffe für bestimmte Dinge, Vorgänge und Rituale, die Außenstehende nicht kennen und nicht verstehen. Zum anderen benutzen sie bestimmte Kommunikationstechniken wie NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren), um dein Denken zu beeinflussen, ohne dass du es merkst.
  • Sie manipulieren deine Erinnerungen, dein Gedächtnis mit Hilfe von Gaslighting. Sprichst du z. B. bestimmte Vorfälle an, an denen sie beteiligt sind oder die aufgrund ihrer Vorschriften und Regeln passiert sind, behaupten sie, diese Vorfälle seien nie oder nicht so passiert, wie du es schilderst. Oder es gäbe diese Vorschriften und Regeln gar nicht. So lernst du, zukünftig weder deiner Wahrnehmung noch deinem Gedächtnis zu trauen und deine Gedanken stattdessen an dem zu orientieren, was sie dir vorgeben.
  • Sie lehnen deine Kritik und dein Hinterfragen ab. Das Fragenstellen sollst du alleine ihnen überlassen, weil sie angeblich wissen, was die „richtigen“ und „wichtigen“ Fragen sind. Stattdessen bringen sie dir bei, die Fehler bei dir selbst zu suchen. Und du musst lernen, deine kritischen Gedanken zu stoppen (z. B. mit der Gedankenstopp-Methode) und durch Arbeit an dir selbst und für den toxischen Menschen/die Sekte oder durch intensives Studium der (von ihnen vorgegebenen) Informationen umzulenken. Weigerst du dich und bestehst du auf deiner Kritik, musst du mit Bestrafung oder Rache rechnen.

Emotionale Kontrolle

Eine der perfidesten Methoden toxischer Menschen und Sekten ist die emotionale Kontrolle, also die Kontrolle über deine Gefühlswelt. Einige Beispiele:

  • Oftmals geben dir toxische Menschen und Sekten zunächst ein sehr gutes Gefühl, auch Grooming oder Love-Bombing Fragezeichen © Toxiversum genannt. Damit vermitteln sie dir, dass du ihnen vertrauen kannst und dich einem guten, anständigen Menschen oder einer Gruppe anschließt, die ausschließlich gute Absichten haben oder Absichten in genau deinem Sinne. Bei einer Gruppe bekommst du das Gefühl, einer guten Gemeinschaft beizutreten (s. dazu auch „Warum tritt jemand einer Sekte bei?“).
  • Ist dieses gute Gefühl so weit etabliert, dass du von diesem Menschen/dieser Gruppe überzeugt bist und ihnen wirklich vertraust, erlebst du das genaue Gegenteil: Sie demontieren dich, geben dir ein schlechtes Gefühl (vor allem dir selbst gegenüber), und sie schauen, wie weit sie damit gehen können. Merken sie, dass sie zu weit gegangen sind, verstärken sie die Demontage und Verunsicherung und halten dir das gute Gefühl immer wieder wie ein Stückchen Zucker vor die Nase (= intermittierende Verstärkung). Immer wieder hältst du es dir aber auch selbst vor die Nase, indem du hoffst, dass du genug tust und es wert bist, dass die Dinge wieder so schön werden, wie sie am Anfang gewesen zu sein schienen.
  • Damit beschwören sie starke Gefühlsschwankungen herauf. Doch diese musst du unterdrücken, denn toxische Menschen und Sekten bestimmen auch, wann du dich wie zu fühlen hast. Große, echte Gefühle und Gefühlsausbrüche können sie nicht ausstehen. Du musst auf Kommando z. B. fröhlich sein, um ihnen nicht die Laune zu verderben und nach außen hin Positivität auszustrahlen. Du musst zufrieden sein mit dem, was sie dir geben, und darfst deinen Unmut nicht äußern, wenn du nicht bestraft werden willst.
  • Sie schreiben dir vor, welche Gefühle „richtig“ und „gut“ sind und welche nicht.
  • Sie wollen, dass du immerzu dankbar bist dafür, bei ihnen sein zu „dürfen“.
  • Sie wecken und fördern immerzu Schuldgefühle in dir. Und sie geben dir die Schuld an ihrem Verhalten: Du seist selbst schuld an der Strafe, die sie dir auferlegen. Du seist schuld an den Fehlern, die sie machen und die ihnen auf die Füße fallen. Du seist schuld, dass irgendetwas so kommt, wie es kommt. Du seist schuld an ihrer Laune und daran, dass sie dich so behandeln, wie sie dich behandeln. Damit halten sie dich klein, demütig und still und in einem ewigen Gedanken- und Verhaltenskreisel gefangen, in dem du ständig versuchst, die kognitive Dissonanz Fragezeichen © Toxiversum zu überwinden, die die falschen Schuldzuweisungen auslösen, und vorauseilend versuchst, dein Verhalten so anzupassen, dass du dich in ihren Augen (und zunehmend deinen eigenen) nicht mehr schuldig machst.
  • Sie fördern ganz bewusst Schamgefühle in dir, denn Scham und die damit verbundene Verunsicherung hält Menschen klein, demütig und abhängig von dem erlösenden Lob des toxischen Menschen bzw. der Sekte. Unter anderem nötigen sie dich zu einer (oft öffentlichen) Beichte, oder sie beschuldigen und demütigen dich vor anderen Leuten, besonders gerne auch vor wichtigen Leuten, von denen du abhängig bist oder die dir wichtig sind.
  • Viele Menschen in toxischen Beziehungen und Sekten entwickeln diverse Ängste, selbst wenn sie vorher nicht ängstlich waren. Dies wird bewusst von toxischen Menschen und Sekten gesteuert, denn Angst hält dich genau wie Scham klein und abhängig von denjenigen, die dich (angeblich) beschützen (wollen). Als ängstlicher Mensch bist du leichter kontrollierbar.
  • Sie flüstern dir das Gefühl ein, dass eine Trennung von ihnen dein Untergang sei. Denn „da draußen“ sei alles nur noch schlimmer, und du würdest dort jämmerlich versagen, z. B. weil du nicht diszipliniert genug seist, weil du ohne sie gar nicht klarkämst, nie genug Geld hättest oder weil nur sie deinen Wert erkennen würden, aber als Einzige wüssten, dass du noch einen weiten Weg vor dir habest (den du natürlich nur mit ihrer Hilfe gehen könntest).

Weitere Gemeinsamkeiten

Neben diesen vier Methoden der Kontrolle aus dem VIGE-Modell von Dr. Steven Hassan haben toxische Menschen und Sekten noch weitere Gemeinsamkeiten, z. B.:

  • Nach außen hin führen sie eine Show auf. Sie stellen sich sowohl vor ihrem und deinem Umfeld als auch vor Gericht und in der Presse als gut, anständig, glaubwürdig und ehrlich dar (leider allzu häufig mit Erfolg). Zum einen wollen sie damit vermeiden, selbst Ärger mit anderen Menschen, Vorgesetzten oder Behörden zu bekommen. Zum anderen wollen sie so vermeiden, dass dir irgendjemand glaubt, dass sie Gewalt gegen dich ausüben, dich kontrollieren und deine Freiheit einschränken. Die anderen sollen glauben, dass es so schlimm ja gar nicht sein kann, denn sonst würdest du ja gehen.
  • Toxische Menschen und Sekten haben ihre Methoden derart perfektioniert, dass bislang völlig unabhängige, eigenständige, selbstbewusste, kluge und frei denkende Menschen sich scheinbar freiwillig in die Abhängigkeit von ihnen begeben.
  • Hast du den toxischen Menschen oder die Sekte verlassen, kann es sein, dass du noch Jahre oder Jahrzehnte unter den Folgen ihrer Gewalt zu leiden hast. Z. B. hast du vielleicht hinterher immer noch Ängste oder glaubst immer noch, nicht gut genug zu sein.

So viele Gemeinsamkeiten also! Aber gibt es nicht auch ein paar Unterschiede? Ja, die gibt es.

Unterschiede von toxischen Menschen und Sekten

Natürlich sind Menschen verschieden, auch toxische Menschen unterscheiden sich sehr in ihrer Art und der Ausprägung ihrer Toxizität. Genauso wie Sekten, sektenähnliche Gruppen/Unternehmen und andere autoritäre Gruppierungen sich auf den ersten Blick stark voneinander unterscheiden können. Ein Multilevel-Marketing-Unternehmen ist natürlich etwas anderes als eine fundamentalistische Sekte oder eine rechtsextreme Gruppierung. Und die unterscheiden sich wiederum stark von deinem psychopathischen Vater oder deiner narzisstischen Partnerin. Und sie unterscheiden sich außerdem durch diese Faktoren:

  • In toxischen Beziehungen geht es meist um einzelne Betroffene, während in Sekten immer Gruppen betroffen sind. Aber – und das haben sie wieder gemeinsam – innerhalb der Gruppe wie auch im Umfeld toxischer Menschen sind die einzelnen Personen meist sehr unterschiedlich von Gewalt betroffen. Manche merken nie etwas, manche kommen mit einem blauen Auge davon und andere sind immer schuld und stehen im Zentrum der Gewaltausübung.
  • Aussteiger:innen aus Sekten finden zwar mangels entsprechender Infrastruktur oft genauso schwer Ausstiegs- und therapeutische Hilfe wie einzelne Opfer toxischer Menschen. Doch als Gruppe können sie theoretisch leichter solidarisch zusammenfinden und Rückhalt von anderen mit ähnlichen Erfahrungen bekommen als z. B. Ex-Partner:innen toxischer Menschen. Und sie können gemeinsam mehr gegen die Sekte ausrichten als ein einzelner Mensch gegen einen toxischen Menschen.
  • Einige Sekten und sektenartige Gruppen gehen als eingetragene Vereine oder auch als Wirtschaftsunternehmen durch. Das heißt, sie haben diverse finanzielle Freiräume und Vorteile und können bspw. staatliche, Stiftungs- und andere Förderungen beantragen. Davon können einzelne toxische Menschen nur träumen (und tun es wahrscheinlich auch).

Du siehst also, dass es jede Menge Gemeinsamkeiten von toxischen Menschen und Sekten gibt. Das bedeutet auch, dass die Methoden und Warnsignale, die ich hier im Toxiversum beschreibe, häufig sowohl auf toxische Menschen als auch auf Sekten und sektenähnliche Gruppen (insbesondere die Führungspersonen auf allen Ebenen) zutreffen. Kennst du diese Methoden und Signale, dann kann es dir zukünftig leichter fallen, solche Menschen und Gruppen frühzeitig auszumachen und zu umgehen.

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