Warum fallen wir eigentlich auf toxische Menschen herein?

„Darauf würde ich ja nie reinfallen!“, hören wir immer wieder von Menschen, die sich nicht vorstellen können, einem toxischen Menschen je auf den Leim zu gehen. Sie sind fest davon überzeugt, immun gegen diese Leute zu sein. Wieso aber gibt es dennoch so viele Opfer? Warum fallen wir auf toxische Menschen herein?

Für viele Opfer kann es sehr schmerzhaft sein, sich wieder und wieder von Leuten in ihrem Umfeld anhören zu müssen, dass die „auf gar keinen Fall“ auf einen toxischen Menschen hereinfallen würden. Das hört sich dann nämlich nicht nur so an, als würden sie das Opfer für ziemlich dumm und naiv halten, sie meinen es oft auch so. Und weil Opfer sich das ziemlich häufig anhören müssen, stellen sie sich selbst natürlich auch die Frage, ob sie vielleicht wirklich so dumm und naiv waren oder sind, dass sie auf etwas reingefallen sind, das für alle anderen scheinbar offensichtlich war. Dass sie definitiv weder dumm noch naiv sind, kannst du in diesem Artikel nachlesen: „Wer wird eigentlich Opfer von toxischen Menschen?“ Und dass sie sich erst recht nicht dafür schämen müssen, auf so einen Menschen hereingefallen zu sein, kannst du hier nachlesen. Doch warum erkennen einige Leute toxische Menschen (angeblich) sofort, aber andere nicht? Warum fallen wir auf toxische Menschen herein?

Toxische Menschen und wie wir auf sie hereinfallen

Toxische Menschen haben – anders als die meisten anderen Menschen – nur ein Ziel: Dominanz, Macht und Kontrolle über andere zu erlangen. Denn dann können sie tun, wonach ihnen der Sinn steht. Würden sie uns das ehrlich sagen, würden wir sie natürlich zum Teufel jagen. Denn wer würde sich schon freiwillig als Opfer zur Verfügung stellen, um dann nach allen Regeln der toxischen „Kunst“ ausgenutzt zu werden und zu Schaden zu kommen? Und womöglich lebenslang unter den oft sehr massiven Folgen zu leiden?

Toxische Menschen müssen also einen anderen Weg gehen. Und sie tarnen diesen Weg als einen, der uns allen sehr vertraut ist. Denn wir gehen solche Wege tagtäglich, wir erleben sie im menschlichen Miteinander, in der Kultur, in der Politik und als Grundlage jedes Marketings und jeder Werbung. Sie erscheinen uns also erst einmal sehr harmlos, sind aber derart wirksam, dass selbst Geheimdienste wie der CIA sich dieser Methode bedienen.

Diese Methode besteht aus drei Schritten:

  1. Kennenlernen,
  2. Zuneigung wecken,
  3. Vertrauen wecken.

1. Schritt: Kennenlernen

Das heißt, zuerst lernen wir einen Menschen kennen. Wir erfahren zunächst mehr oder weniger Details über ihn: Name, Alter, Wohnort, Familienstand, Arbeit und Interessen. Vielleicht erfahren wir auch etwas über seinen Freundeskreis, seine Vorlieben und Abneigungen, über seine Ansprüche und die Dinge, die er nicht so eng sieht.

Das sind bereits ziemlich viele Informationen. Wir finden sie normalerweise nicht schon am Abend des ersten Treffens auf der Party, beim ersten Date, beim Vorstellungsgespräch oder ähnlichen Terminen heraus. Vielmehr erfahren wir sie meistens über einen längeren Zeitraum. Wir lernen diesen Menschen bei jedem Treffen ein bisschen besser kennen (glauben wir zumindest).

Ein toxischer Mensch füttert uns in dieser Kennenlernphase mit allerlei Informationen, von denen viele gelogen sind, aber nicht alle. Doch dabei belässt er es nicht. Er versucht bereits in dieser Phase, möglichst viel über uns herauszufinden. Diese Taktik nennt sich Data-Mining Fragezeichen © Toxiversum, und er benötigt diese Informationen für den zweiten Schritt.

Nun ist es bei toxischen Menschen jedoch so, dass sie gewöhnlich eine Maske tragen, erst recht, wenn sie jemanden neu kennenlernen. Sie zeigen nicht sofort ihr wahres Gesicht, denn – wie ich oben schon sagte, – dann würden wir uns ja nicht auf sie einlassen. Die Show, die sie also zu Beginn für uns aufführen, ist jedoch meist ziemlich anstrengend für sie. Sie können sie nie lange und konstant durchhalten. Deshalb zünden sie möglichst bald die nächste Stufe:

2. Schritt: Zuneigung wecken

Ihre (relativ) kurze Show hat zum Ziel, dass wir sie zumindest schon mal interessant finden. Oder interessant genug, um mehr Zeit mit ihnen verbringen zu wollen. Zwischendurch brauchen sie aber einige Pausen, die u. a. aus plötzlichen Funkstillen bestehen können oder daraus, dass sie ihre Maske vor unseren Augen mal kurz fallenlassen (erkennbar z. B. an plötzlichen Wutausbrüchen über Kleinigkeiten, an eiskalten Blicken, bei denen du sie erwischst, oder Eifersucht, übertriebene Anhänglichkeit und ähnlich unpassendem Verhalten). Anschließend können sie die Show wieder aufnehmen, wenn auch nicht für sehr lange. Denn dieses positive Theater ist völlig gegen ihre Natur und sehr anstrengend für sie.

In diesem zweiten Schritt versuchen sie es deshalb nun mit einer Art Druckbetankung mit positiven Dingen und Gefühlen. Denn wir sollen jetzt Zuneigung zu ihnen fassen. Sie geben uns Komplimente. Sie machen uns Geschenke. Sie sind zur Stelle, wenn wir sie brauchen. Sie hören uns zu. Sie gehen auf uns ein. Sie unterstützen und fördern uns. Zumindest geben sie uns diesen Anschein. Und sie tun so, als hätten sie die gleichen Interessen wie wir und die gleichen Meinungen zu bestimmten Dingen. Das Data-Mining im ersten Schritt hat sie ja mit allen dafür notwendigen Informationen versorgt.

Manche gehen sogar noch einen Schritt weiter, wenn wir nicht schnell genug auf all das anspringen. Haben sie herausgefunden, dass wir sehr empathisch sind, dann erzählen sie uns hochdramatische oder rührselige Geschichten davon, dass sie eine furchtbare Kindheit gehabt hätten, gemobbt worden seien, ihr Bruder ermordet worden sei, sie die Mutter mit zwei Jahren verloren hätten, der Sohn drogensüchtig sei, die (Ex-) Frau schwer depressiv oder psychopathisch sei, das Unternehmen einem Betrüger aufgesessen sei, Corona ihnen durch alle schönen Pläne einen Strich gemacht hätte usw. Manchmal ist an diesen Geschichten tatsächlich ein Fünkchen Wahrheit, aber häufig ist auch das alles zumindest weitgehend gelogen.

Warum aber wollen sie mit aller Macht, dass wir sie mögen? Das Ziel dahinter ist die nächste Stufe:

3. Schritt: Vertrauen wecken

Ohne die ersten beiden Schritte wird ihnen der dritte Schritt nicht gelingen. Denn wann vertrauen wir einem Menschen am meisten? Meistens nur dann, wenn wir glauben, ihn recht gut zu kennen und deshalb seine Anständigkeit und Ehrlichkeit einigermaßen einschätzen zu können, und wenn wir ihn gern haben.

Genau diesen Umstand machen sich z. B. auch Enkeltrickbetrüger:innen zunutze. Denn die bauen darauf, dass ihre Opfer ihre Enkelkinder kennen, sie lieben, ihnen deshalb vertrauen und selbstverständlich aus der (angeblichen) Notlage unbedingt heraushelfen wollen.

Toxische Menschen machen es nicht anders. Sie schmücken ihre Märchen sehr überzeugend aus und wecken durch ihr anfänglich positives, sympathisches Auftreten und Handeln unser Vertrauen. Dabei kratzt es sie gar nicht, ob ihre Märchen nachprüfbar sind oder nicht: Sie vertrauen einfach darauf, dass unser Mitgefühl und unsere Zuneigung zu ihnen schon so groß ist, dass wir gar nicht erst auf die Idee kommen, alles nachzuprüfen.

Das Gefühl des Vertrauens wird dadurch untermauert, dass wir nach ihrer großen Show glauben sollen (und es allzu oft auch tun), eine ganz „besondere“ Beziehung zu ihnen zu haben: enger, vertrauter, intimer als die meisten anderen Beziehungen. Denn dieser Mensch weiß schon jetzt ziemlich viel über uns, darüber, wie es uns geht, was uns wirklich wichtig ist usw. Wir haben ihm bereits sehr viel über uns preisgegeben. Und wir glauben, ebenfalls ausreichend viel über ihn zu wissen, um ihn korrekt einschätzen zu können.

Wir vertrauen also darauf, dass er das, was er nun über uns weiß, mit Mitgefühl, Respekt und Rücksicht behandelt und dementsprechend mit uns umgeht. Das wäre ja das Normale. Nur, dass ein toxischer Mensch gar nicht daran denkt. Dass er nur seine eigenen Ziele verfolgt, weil er grundsätzlich selbstsüchtig ist. Nur ahnen wir das nicht. Wir glauben, diesem Menschen, den wir zu kennen glauben, der sich uns gegenüber bislang (meistens) so enorm positiv verhalten hat und der so sympathisch ist, vertrauen zu können.

Und damit sitzen wir in der Falle. Niemand ist gegen diese ganz normalen Schritte menschlichen Miteinanders automatisch gefeit: Kennenlernen, Zuneigung entwickeln, Vertrauen entwickeln.

Hörst du also nochmal jemanden behaupten: „Also, ICH würde ja NIE auf so einen Menschen hereinfallen!“, dann weißt du jetzt, dass das nicht stimmt. Denn wir alle vertrauen den Menschen, die wir zu kennen glauben, und die wir mögen. Und vertrauen wir ihnen, dann haben sie bei uns allen ziemlich leichte Bahn für all ihre anderen Manipulationen.

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