Du bist nichts ohne mich! Du kannst nichts ohne mich! – Dies sind Vorwürfe, die Opfer toxischer Menschen sich oft anhören müssen. Und sie sind ein toxisches Warnsignal. Manche sträuben sich anfangs, beginnen es dennoch meist zu glauben. Aber ist es auch wahr? Und wenn nicht, warum sagt jemand so etwas?
Ob du in einer Partnerschaft mit einem toxischen Menschen lebst, ihn von der Arbeit kennst oder aus anderen Zusammenhängen: Viele Opfer erleben irgendwann den Punkt, an dem der toxische Mensch ihnen vorwirft: „Du bist nichts ohne mich!“ oder „Du kannst nichts ohne mich!“ Und dieser Vorwurf kommt meist nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Warum sagt jemand „du bist nichts ohne mich“ oder „du kannst nichts ohne mich“?
Natürlich stimmt von diesen Vorwürfen nichts. Wenn toxische Menschen anderen so etwas vorwerfen, dann ist das Wunschdenken und pures Gaslighting . Oft genug ist es sogar Projektion , d. h. sie selbst wären und könnten eigentlich nichts, wenn sie ihr Opfer nicht hätten. Dennoch werden sie nicht müde, ihm diese alte Leier immer wieder vorzubeten. Selbst dann, wenn ihr Opfer ein beliebter, fähiger und erfolgreicher Mensch war, bevor er sie kennenlernte, und nun nur noch ein Schatten seiner selbst ist.
Der Vorwurf sitzt aber oft tief. Und er erzeugt eine kognitive Dissonanz bei dem Opfer, das sich selbst eigentlich ganz anders wahrnimmt und dies auch von anderen gespiegelt bekommt. Doch je öfter ein toxischer Mensch solche Vorwürfe wiederholt, desto größer stehen die Chancen, dass das Opfer Zweifel an seiner eigenen Wahrnehmung und der der anderen bekommt. Und dies schließlich langsam, aber sicher glaubt.
Warum macht jemand einen solchen Vorwurf wieder und wieder, wenn er doch überhaupt nicht wahr ist? Dafür gibt es nach aktuellem Wissensstand vor allem zwei Gründe:
1. Selbstüberhöhung des toxischen Menschen durch Erniedrigung des Opfers
Viele toxische Menschen halten es für eine ganz normale Taktik, sich selbst dadurch zu überhöhen, dass sie ihr Opfer erniedrigen. Dass sie es herabwürdigen und ihm einen (nicht existenten) Mangel an Eigenschaften, Fähigkeiten, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zusprechen. Toxische Menschen haben laut Fachleuten ein sehr gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das sie so handeln lässt. Doch das allein kann natürlich nicht der Grund für dieses schädigende Verhalten sein. Denn sehr viele Menschen auf unserem Planeten haben ebenfalls ein sehr gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein, aber die meisten von ihnen quälen andere Leute nicht mit solchen abwertenden Aussagen.
Diese immer wieder praktizierte Selbstüberhöhung durch Sätze wie „ohne mich bist du nichts“ oder „ohne mich kannst du gar nichts“ muss deshalb noch weitere Gründe haben. Einer dieser Gründe ist sicher auch die mangelnde oder gleich ganz fehlende Empathiefähigkeit toxischer Menschen. Sie können sich nicht einfühlen in ihr Opfer und dadurch ein Gefühl dafür bekommen, wie sehr sie ihm damit schaden. Aber bevor du denkst, dann können diese armen Menschen ja gar nichts für ihr mieses Verhalten, lies bitte weiter. Denn die meisten toxischen Menschen haben ausreichend Verstand, um mit diesem zu begreifen, was sie da tun. Sie hören oft genug von ihren Opfern, dass sie denen wehtun, dass sie unfair sind und Unsinn reden. Doch weil sie sich für etwas Besseres halten, ist ihnen das völlig egal.
2. Macht & Kontrolle über das Opfer
Toxische Menschen haben sich selbst eingeredet (und/oder es wurde ihnen so anerzogen), dass sie grundsätzlich wichtiger und besser sind als andere Menschen. Aber obwohl sie doch so viel wichtiger und besser sind, folgen und gehorchen ihnen die anderen nicht einfach. Das ertragen toxische Menschen nicht. Sie wollen nicht hinnehmen, dass sie keine Macht und Kontrolle über andere haben, die ihnen (so glauben sie) nicht einmal das Wasser reichen können.
Aus diesem Grund versuchen sie, ihre Opfer zu erziehen. Sie sind sich zwar (fast) sicher, dass die niemals ihre Klasse und Güte erreichen werden, doch ein bisschen maßregeln hat schließlich noch niemandem geschadet (denken sie). Sie weisen also ihre Opfer in die Schranken, damit die demütig werden und nicht glauben, sie könnten den toxischen Menschen irgendwie übertrumpfen.
Sie wollen also Macht und Kontrolle über ihr Opfer haben, und Sätze wie „ohne mich bist du nichts“ oder „ohne mich kannst du nichts“ sind da nur ein Mittel von vielen, um Moral und Selbstwert ihres Opfers derart zu erniedrigen, dass es sich leichter führen lässt.
Was du über Sätze wie „du bist nichts ohne mich“ oder „du kannst nichts ohne mich“ sonst noch wissen solltest
Es ist sehr, sehr schwer, die Ohren einfach bei solchen Sätzen zu verschließen. Das Ganze überhaupt nicht an sich herankommen zu lassen, ist fast unmöglich. Bei vielen bleibt mindestens ein Fünkchen davon übrig, das zu einem lodernden Feuer werden kann, wenn der toxische Mensch mit weiteren Methoden arbeitet (was er ja meistens tut). Durch solche ständigen Abwertungen säen toxische Menschen Zweifel, verzerren die Wahrnehmung ihrer Opfer und halten sie in einem anhaltenden Zustand der tiefen Verunsicherung. Aus diesem Grund solltest du, falls du betroffen bist, Folgendes wissen:
- Du bist ein wertvoller Mensch.
- Du bist ohne den toxischen Menschen sehr viel, wahrscheinlich sogar sehr viel mehr als mit ihm.
- Der toxische Mensch ist wie ein Bremsklotz für dich. Möglich, dass er dir irgendwann einmal eine Tür geöffnet hat oder dich bei etwas Wichtigem unterstützt hat. Doch kannst du davon ausgehen, dass du einen viel zu hohen Preis dafür bezahlen musst(est). Denn der toxische Mensch möchte nicht, dass du dich zum Positiven entwickelst, dass du beliebt und erfolgreich bist. Er möchte, dass du ihm gehorchst, keine Schande machst und jederzeit zur Verfügung stehst – sonst nichts. Und um dich so klein zu halten, setzt er alle denkbaren Mittel ein, egal, ob er dir damit schadet oder nicht.
- Hast du selbst tatsächlich Zweifel, ob du ohne diesen Menschen überhaupt klarkommen würdest, dann mach dir einmal eine Liste mit den Dingen, die dieser Mensch konkret für dich getan hat (nicht nur gesagt, sondern wirklich getan hat). Und vergleiche sie mit den Dingen, die du selbst geschafft hast. In der Regel ist die Seite mit deinen Errungenschaften wesentlich länger und bedeutender und zeigt, dass du es auch alleine hättest schaffen können.
- Du könntest den toxischen Menschen auch direkt darauf ansprechen und ihn fragen, was genau er bislang getan hat, um dich voranzubringen. Wahrscheinlich wird seine Antwort hauptsächlich aus heißer Luft bestehen, da toxische Menschen zwar behaupten, viel für andere getan zu haben, doch genau wissen, dass das gelogen ist. Und er wird versuchen, den Fokus von sich wegzudrehen auf dich und dir in einer Bandwurmdiskussion u. a. mit Vorwürfen vermeintlicher Verfehlungen kommen.
- Bitte sei aber mit solchen Gesprächen vorsichtig. Solche Fragen können sehr viel Wut bei toxischen Menschen auslösen, die sich nicht selten in körperlicher Gewalt äußert. Im Zweifel sprich ihn sicherheitshalber nicht darauf an.
- Traue zukünftig deiner eigenen Wahrnehmung und der deiner Freund:innen, auch wenn du den Gegensatz zu dem, was der toxische Mensch dir sagt, nicht überein bringen kannst. Das ist leider ganz normal bei den vielen Lügen, die toxische Menschen erzählen. Umso wichtiger ist es, dein eigenes „Bauchgefühl“ zu trainieren und einzuüben, ihm wieder zu vertrauen.
- Und du kennst jetzt ein toxisches Warnsignal mehr: Sagt dir jemand (wiederholt), „du bist nichts ohne mich“ oder „du kannst nichts ohne mich“, dann kannst du davon ausgehen, dass du es mit einem toxischen Menschen zu tun hast. Und du kannst schnellstmöglich das Weite suchen.