Hoovering ist eine Taktik toxischer Menschen, um nach der Trennung erneut Kontrolle und Macht über ihr Opfer zu bekommen. Die Merkmale des Hooverings sind manchmal schwer zu durchschauen. Woran kannst du es im Detail erkennen? Woher weißt du, ob das, was ein Mensch dir sagt, die Wahrheit ist oder ob du gerade gehoovert wirst?
Der Begriff „Hoovering“ ist angelehnt an den amerikanischen Staubsauger der Firma Hoover. Im Lauf der Jahrzehnte hat sich „to hoover“ als Synonym für „staubsaugen“ etabliert (vergleichbar damit, wie im Deutschen das Wort „Tempo“ bis heute synonym für „Papiertaschentuch“ gebraucht wird). Wer also hoovert, saugt entweder Staub oder – wenn es sich um einen toxischen Menschen handelt – versucht, eine Person nach einer Trennung oder Kündigung wieder zurückzugewinnen.
Hoovering hat keinen typischen Zeitplan
Was im ersten Moment relativ harmlos klingt, kann für Opfer höchst problematisch, teilweise auch sehr gefährlich sein. Denn die Methoden sind nicht immer durchschaubar, sie knüpfen an alte Traumabindungen
an. Und sollte sich das Opfer tatsächlich wieder auf den toxischen Menschen einlassen, wird der Hoover sofort wieder abgestellt, und alles wird so wie früher – meistens sogar noch schlimmer. Und das kann sehr gefährlich werden, für Frauen in einer Beziehung zu einem toxischen Mann sogar lebensgefährlich.Zunächst ist es ganz wichtig zu wissen, dass es keinen typischen Zeitplan fürs Hoovering gibt. Einige toxischen Menschen belagern ihr Opfer direkt nach der Trennung, andere lassen sich damit Monate oder sogar Jahre Zeit. Manche spionieren ihren Opfern hinterher und suchen sich den perfekten Moment für den neuen „Überfall“ aus, damit der größtmögliche Wirkung erzielt. Umso wichtiger ist es, dass du erkennen kannst, ob es sich um einen wirklich ernst gemeinten Versuch handelt, dich zurückzugewinnen, oder um Hoovering.
Die scheinbar positiven Kennzeichen des Hooverings
- Einer der ersten Kontaktversuche besteht manchmal aus einer sehr ehrlich klingenden, aber nie ernst gemeinten Entschuldigung des toxischen Menschen. Er behauptet in groß angelegtem Future-Faking , er sehe ein, Fehler gemacht zu haben und wolle sich ändern und alles wiedergutmachen, wenn du nur zurückkommst.
- Weitere Kontaktversuche laufen über alle Kanäle, die du ihm offenhältst – im Zweifel also ALLE: von Post, Telefon und Handy über WhatsApp, andere Messengerdienste und E-Mail (auch bei deiner Arbeit) bis hin zu Social Media, deiner Familie, deinen Freund:innen, deinen Kindern und seinen sonstigen Flying Monkeys in deinem Umfeld. Auf all diesen Wegen versucht dieser Mensch immer wieder, dir Nachrichten zukommen zu lassen.
- Ihr lauft euch scheinbar zufällig über den Weg, mal vor deiner Haustür („ich war zufällig in der Gegend“), mal bei deiner Arbeit (dito), mal in deinem Fitness-Studio („hat mir ein Freund empfohlen“), mal im Café („ich bin hier mit XY verabredet“) usw. Er sucht also immer wieder deine Nähe, um dir das Gefühl zu geben, dass er dich vermissen würde und dass er jetzt ein prima Mensch geworden wäre.
- Er postet auf Social Media Dinge, die dich glauben lassen (sollen), dass er dich vermisst. Zum Beispiel euer gemeinsames Lied. Ein Gedicht, das du liebst. Oder ein Foto von einem Ort, an dem ihr zusammen wart und eine tolle Zeit hattet.
- Er lobt dich und macht dir Komplimente – sehr ähnlich denen, die er in der ersten Phase eures Kennenlernens (dem Love-Bombing ) geäußert hat.
- Vielleicht sucht er auch das direkte, persönliche Gespräch mit dir und gibt sich dabei zerknirscht und reuevoll.
- Er behauptet, er möchte sich endlich mit dir aussprechen. Denn ihm liege das, was passiert sei, sehr auf der Seele.
- Sollte es dir schlecht gehen, gesundheitlich, beruflich, finanziell oder privat, taucht er unerwartet auf und bietet sich, sein „Mitgefühl“ und seine „Hilfe“ großzügig an. Er sagt, du könntest dich fest auf ihn verlassen, er sei immer für dich da.
- Er macht dir Geschenke, mal ganz kleine, mal ganz große. Einige davon findest du vielleicht an Stellen, über die du dich wunderst – z. B. Orten, zu denen er eigentlich keinen Zugang mehr haben dürfte oder eigentlich gar nicht wissen kann, wo die sich gerade befinden (z. B. dein Auto, deine Garage, dein Arbeitsplatz).
- Er leiht sich Dinge von dir oder will sich etwas zurückholen, was (angeblich) ihm gehört. Dabei handelt es sich oft um Kleinigkeiten ohne jeden Wert, weder finanziell noch ideell. Und du wunderst dich, warum er ausgerechnet das jetzt (wieder-) haben will.
- Bei Gesprächen oder Nachrichten stellt er die Dinge heraus, die gut an eurer Beziehung waren, positive Erlebnisse, die unvergesslich waren, all das, was ihr gemeinsam habt (auch gemeinsame Kinder oder Tiere). Und er behauptet, er vermisse das alles unwahrscheinlich.
- Er behauptet, er würde eine Therapie beginnen oder er habe sie bereits begonnen.
- Er behauptet, er käme nicht klar ohne dich. Oder er sei in großen Schwierigkeiten (beruflich, finanziell, familiär, privat). Oder jemand sei gestorben, und er sei am Boden zerstört. Oder er selbst sei schwer krank, womöglich sogar lebensbedrohlich. Oder er denke über Selbstmord nach und er wüsste niemanden, an die oder den er sich sonst wenden könnte.
- Auf einmal macht er dir alles möglich, was er vorher immer abgelehnt hat. Aus „(alter) Verbundenheit“ oder weil er angeblich noch Gefühle für dich hat.
All diese Dinge können dazu führen, dass du ihm glaubst. Denn du möchtest ihm glauben. Du möchtest dich sehr, sehr gerne darin geirrt haben, einem extrem verstörenden, gewalttätigen Menschen auf den Leim gegangen zu sein. Du möchtest, dass er in Wirklichkeit doch der tolle Mensch ist, den er dir ganz zu Anfang vorgespielt hat. Du möchtest, dass deine Welt wieder heil wird.
Und all das ist absolut verständlich. Doch die Chance, dass sich ein Mensch, der sich über Monate oder Jahre dir gegenüber toxisch verhalten hat, so sehr ändern wird, geht gegen Null. Daher solltest du unbedingt auch auf die negativen Kennzeichen des Hooverings achten.
Die negativen Kennzeichen des Hooverings
Es kann aber auch sein, dass du negative Untertöne in diesem Verhalten des toxischen Menschen wahrnimmst. Dass er seine Toxizität durchscheinen lässt oder sogar frank und frei zur Schau stellt. Und zwar insbesondere dann, wenn du nicht sofort wieder dankbar zu ihm zurückkehrst, ihn nicht mit offenen Armen wieder aufnimmst. Er zeigt dir das z. B. durch Verhaltensweisen wie diese:
- Oft verschleiert er durch Fake-Profile, neue E-Mail-Adressen und Handynummern, wer er ist. Denn er weiß, dass du ihn womöglich überall blockiert hast. Dann bekommst du Anrufe und Nachrichten von „Anonym“ oder jemandem, der wie dein bester Freund oder deine Mutter heißt, o. Ä.
- Er ist schnell beleidigt, stichelt, wird sarkastisch, wütend und/oder unterstellt dir Negatives. Wehrst du dich dagegen, widersprichst du oder bittest du ihn, das seinzulassen, dann tut er dies vielleicht – aber wenn, dann nur für kurze Zeit.
- Triffst du dich mit ihm, geht er (bald) wieder sehr respektlos mit deiner Zeit um, indem er wie früher zu spät, (unabgesprochen) mit anderen Leuten oder auch gar nicht erscheint.
- Er schickt dir immer wieder „aus Versehen“ Nachrichten und Bilder, die nichts mit dir zu tun haben und deshalb (angeblich) nicht für dich bestimmt sind.
- Er postet Nachrichten und Bilder auf Social Media von der Person, die deine Nachfolge eingenommen hat. Oder von Personen aus seinem oder deinem Umfeld, die du aufgrund des Kontaktabbruchs sehr vermisst. Und – kontaktierst du ihn deswegen – er behauptet, das habe er nicht mit Absicht gemacht.
- Du begegnest ihm immer wieder „rein zufällig“ – vor deiner Haustür, bei Veranstaltungen, beim Einkaufen usw. Doch er geht dir aus dem Weg, nachdem du ihn entdeckt hast. Sprichst du ihn darauf an, behauptet er, er habe dich gar nicht gesehen/erkannt. Kann er sich nicht rechtzeitig vor dir verstecken, wechselt er das Thema, damit es nicht mehr um ihn, sondern um dich geht. Oder er hat eine (oft an den Haaren herbeigezogene) Ausrede, warum er ausgerechnet jetzt ausgerechnet an diesem Ort sei.
- Eine solche Ausrede kann sein, dass er angeblich gerade in der Gegend war und dachte, er könne mal kurz vorbeikommen und sich etwas bei dir holen, das ihm gehöre und das er damals nicht mitgenommen habe. Oder dass er nur kurz gekommen sei, um dich zum Essen einzuladen, um mal zu reden. Seine Gründe klingen für dich etwas arg unglaubwürdig. Möglicherweise siehst du ihm auch an, dass er lügt.
- Er lauert dir immer wieder irgendwo auf, sodass du dich womöglich nicht mehr sicher fühlst. Oder er versteckt sich hinter Autos oder Büschen, aber eher halbherzig, denn er möchte sogar, dass du ihn siehst oder dass du verunsichert bist.
- Sprichst du ihn auf Dinge aus deinem Besitz an, die er bis heute von dir hat und nie herausgeben wollte, dann wird er dich hinhalten, sagen, er würde sie dir das nächste Mal mitbringen. Oder er behauptet, sie nie gehabt zu haben oder dass sie kaputtgegangen seien. Tiere, die er dir vorenthalten hat, seien „gestorben“, auch wenn sie entweder quicklebendig oder längst im Tierheim sind oder er sie weggegeben oder verkauft hat.
- Womöglich verlangt er, dass du ihm alles, was er dir einmal geschenkt hat, zurückgibst. Ob das eine teure Uhr oder Kette war oder das Möbelstück, das angeblich mal seinem Vater gehört hat, oder auch etwas völlig Wertloses, auf das er früher keinerlei Wert gelegt hat.
- Überwindest du dich und möchtest sein Angebot, dir jederzeit zu helfen, annehmen, wird er wie früher Bedingungen daran knüpfen. Vielleicht nicht sofort – aber die Rechnung wird kommen. Hast du sein Hilfsangebot in Anspruch genommen, geht er vielleicht sehr bald oder sofort dazu über, dich deshalb wieder kleinzumachen und zu demütigen.
- Er ist auch ansonsten sehr schnell wieder bei seinem alten Verhalten: manipulativ, selbstgerecht, ich-bezogen, arrogant, bedrohlich, erpresserisch, projizierend und kontrollierend.
- Vielleicht setzt er dich sogar durch Ankündigungen, dass er sich umbringen oder „etwas ganz Dummes“ tun würde usw. unwahrscheinlich unter Druck. (Bitte beachte: In diesem Fall solltest du grundsätzlich sofort die Polizei informieren! Denn es ist für dich wahrscheinlich nicht erkennbar, ob dieser Mensch das nur als Druckmittel nutzt oder ob er tatsächlich eine Tat plant.)
Hoovering kann also ganz unterschiedliche Züge annehmen. Es speist sich immer aus Versatzstücken aus dem Love-Bombing. Doch es kann auch sehr schnell in das alte, gewalttätige Verhalten des toxischen Menschen kippen.
Wie du dich vor Hoovering schützen kannst, kannst du hier nachlesen: Wie kannst du dich vor Hoovering schützen?
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