Weihnachten mit toxischen Menschen ist für viele eine Art Vorhölle. Schlimmer ist nur, ständig mit ihnen zusammenleben zu müssen. Doch was macht Weihnachten mit toxischen Menschen so schwierig bis unerträglich? Und was kannst du dagegen tun?
Wer mit einem toxischen Menschen aufgewachsen ist, kennt es nur so, dass Feiertage, insbesondere Weihnachten, eine besonders anstrengende, schwierige und leidvolle Zeit sind. Ein fröhliches, entspanntes Weihnachten, wie man es den anderen immer wünscht, ist ihnen völlig unbekannt. Denn es scheint, als geben sich toxische Menschen an solchen Tagen besonders große Mühe, noch toxischer zu sein als sonst schon.
Eins vorab: Es gibt nicht die geringste Entschuldigung dafür, dass toxische Menschen an Weihnachten oder anderen besonderen und Feiertagen so besonders egoistisch, ungerecht und bösartig sind und anderen dieses schöne Fest versauen.
Warum ist Weihnachten mit toxischen Menschen so unerträglich?
Wir, die mit der weihnachtlichen Tradition aufgewachsen sind, haben eine Vorstellung davon, wie wir gerne Weihnachten feiern würden. Und viele von uns bereiten sich darauf vor, backen, schmücken, besorgen liebevoll Geschenke und richten alles so her, dass alle, die dabei sein werden, sich wohl fühlen können.
Ganz anders toxische Menschen. Weihnachten ist viel Arbeit – das hassen sie. Weihnachten bedeutet, mit anderen Leuten zusammensein zu müssen, die sie z. B. offen kritisieren oder ihnen überlegen sein könnten – das hassen sie. Weihnachten heißt auch, dass sie nicht einfach verschwinden und bspw. Pornos gucken oder mit ihrer neuen Flamme chatten können, wenn ihnen gerade danach ist – das hassen sie. Denn sie sind es gewöhnt, ihren Willen zu bekommen. Weihnachten hat viel mit Gefühlen und Mitgefühl zu tun – das hassen sie. Für sie ist Weihnachten deshalb reichlich überflüssig.
Dementsprechend sind sie genervt davon, wie viele Aufgaben sie übernehmen sollen und dass andere Leute (z. B. die Schwiegerfamilie oder die eigenen Kinder) ins Haus kommen oder sie zu denen fahren müssen. Sie sind damit nicht alleine – nicht alle fallen um vor Freude, wenn sie an den ganzen Aufwand und Stress denken. Aber im Gegensatz zu anderen Menschen lassen toxische Menschen ihre daraus entstehende schlechte Laune ausgerechnet an denen aus, die sie laut Tradition in diesen Tagen ganz besonders lieben und verwöhnen sollten. Es sind die verletzlichsten Menschen in ihrem Umfeld, die, denen die meiste Liebe und Sorge zusteht. Die sie nun aber erst recht nicht bekommen.
Für die Partner:innen und Kinder toxischer Menschen heißt das: Sie werden herumkommandiert, angemault und angeschrien, Türen knallen, Gegenstände fliegen (womöglich auch Fäuste), der toxische Mensch betrinkt sich vielleicht oder benimmt sich ständig daneben, will alles kontrollieren, weiß alles besser und/oder haut immer wieder ab und wird wütend, wenn sein Essen kalt ist, wenn er wiederkommt, oder wenn es seinen Vorstellungen nicht entspricht. Er wird natürlich auch wütend, wenn man ihn bittet, seine schlechte Laune woanders auszuleben. Denn selbstverständlich weiß er, wie unterirdisch er sich verhält, aber er findet, er darf das. Die anderen sollten sich nicht so anstellen und ihm einfach nur gehorchen. Und den Mund halten.
Partner:innen und Kinder wissen, wie sie sich verhalten müssen, um nicht alles noch schlimmer zu machen als es ohnehin schon ist: sich nach dem Willen des toxischen Menschen kleiden und frisieren, auf Zehenspitzen gehen, bloß nicht zu laut, nicht zu fröhlich, nicht zu lebendig sein, aber auch nicht zu gedrückt, zu verletzt, zu genervt sein und, um Himmels willen, bloß nicht widersprechen.
Fröhliche, entspannte Weihnachten gibt es nicht mit toxischen Menschen.
Was kannst du tun, um Weihnachten mit einem toxischen Menschen halbwegs zu ertragen?
Wenn du es nicht vermeiden kannst, Weihnachten mit einem toxischen Menschen zu verbringen, dann gibt es einige Möglichkeiten, dir diese Tortur etwas zu erleichtern.
Weißt du bereits, welche typischen Verhaltensweisen und Aussagen des toxischen Menschen starke Reaktionen bei dir auslösen? Falls nicht, wäre es hilfreich, dir diese zu überlegen und dir die Muster klarzumachen, mit denen du reagierst: Warum verhältst du dich wie in welcher Situation? Und könntest du dich auch anders verhalten?
Im nächsten Schritt überleg dir, wo deine Grenzen sind. Wie viel des toxischen Verhaltens möchtest du dir zumuten? Was genau bist du bereit, um einer bestimmten Person oder um des lieben Friedens willen hinzunehmen? Und was willst du definitiv nicht mehr akzeptieren?
Dann ist es wichtig, dir schon im Vorhinein zu überlegen, was du tun wirst, wenn der toxische Mensch deine Grenzen überschreitet. Denn das wird er natürlich. Das tut er immer. Aber es soll ja diesmal darum gehen, dass das Weihnachtsfest für dich endlich einmal etwas entspannter und fröhlicher sein wird.
Vier Punkte sind dabei wichtig, damit du dich nicht triggern lässt und der toxische Mensch nicht so viel Macht über dich hat:
- Bleibe ruhig und sachlich. Der toxische Mensch wird versuchen, dich zu provozieren und zu emotionalen Reaktionen zu bringen, um dich dann genau dafür beschimpfen zu können. Bleibe daher ganz ruhig und sachlich.
- Lass dich nicht in Diskussionen verwickeln. Toxische Menschen wollen recht haben, kontrollieren und Macht über andere Menschen haben. Deshalb verwickeln sie sie in schier endlose Diskussionen, die von einem Thema zum nächsten springen. Und am Ende bist du an allem schuld. Lass dich daher nicht in solche Diskussionen verwickeln. Kommt der toxische Mensch vom Thema ab, bitte ihn, beim ursprünglichen Thema zu bleiben. Tut er das nicht, beende das Gespräch (ruhig und sachlich).
- Erkläre dich nicht. Hat jemand einen Standpunkt, der dem toxischen Menschen nicht passt, kommt immer die Aufforderung, sich zu erklären. Tue das maximal einmal, ruhig, sachlich und mit klaren Worten. Versucht dein Gegenüber dich dann wieder in sein Diskussionslabyrinth zu ziehen, gehe nicht darauf ein. Du hast dich erklärt, das muss reichen. Manchmal muss auch nicht einmal die Erklärung sein. „Nein, ich möchte das nicht“ ist eine Antwort, die genügen muss.
- Setze konsequente Grenzen. Versucht dich der toxische Mensch aus der Reserve zu locken, zu einer unbedachten oder emotionalen Reaktion hinzureißen, und lässt er nicht von dir ab, dann kannst du ihm klare Grenzen setzen. Du kannst beispielsweise sagen: „Ich habe gesagt, ich möchte das nicht. Hörst du nicht auf, mich zu piesaken, beende ich das Gespräch (oder den Besuch).“ Und das solltest du dann auch tun.
Je sachlicher und ruhiger du bleibst, je weniger du das Verhalten des toxischen Menschen an dich heranlassen kannst und je besser du auf sein Verhalten vorbereitet bist, desto entspannter und souveräner kannst du auf das toxische Verhalten reagieren, ohne in deine eigenen alten Reaktionsmuster zurückzufallen. Denn die werden dir wahrscheinlich nicht gerade gutgetan haben.
Bitte achte jedoch bei all dem auf deine Sicherheit und Unversehrtheit. Die geht immer vor! Rufe im Notfall Hilfe und versuche, dich der Situation möglichst unbeschadet zu entziehen.
Was tun, wenn gar nichts geht?
Bei aller guten Vorbereitung kann Weihnachten leider trotzdem in die Hose gehen. Vielleicht reagierst du nicht so souverän und stark, wie du es geplant hattest. Vielleicht ist etwas Unvorhergesehenes passiert, und alles wurde nur noch schlimmer. Oder dir ist jetzt einfach mal der Kragen geplatzt. Mache dir deshalb keine Vorwürfe – es ist ganz normal und völlig in Ordnung, dass solche Veränderungen nicht von jetzt auf sofort funktionieren werden. Tue dir im Anschluss aber unbedingt etwas richtig Gutes, eine Streicheleinheit mit deinem Hund, einen langen Spaziergang, ein schönes Bad, ein riesiges Stück Torte oder irgendetwas, das dir wieder etwas Wohlbefinden zurückbringen kann.
Hast du jedoch von vornherein das Gefühl, dass dir all das nicht gelingen kann, angesichts des inakzeptablen Verhaltens und der Gewalt des toxischen Menschen, dann solltest du dich an die erste Stelle setzen und das tun, was für dich selbst gut ist. Sollte das bedeuten, dass du nicht mit dem toxischen Menschen zusammen Weihnachten feierst, dann ist das so. Denk daran: Es ist wichtig, dass es dir gutgeht! Niemand muss das Verhalten eines toxischen Menschen ertragen müssen – schon gar nicht zu Weihnachten.
Hast du bereits mit dem toxischen Menschen gebrochen und ist Weihnachten für dich dennoch eine angespannte Zeit, dann magst du dir vielleicht – damit die Feiertage überhaupt noch die Chance bekommen, entspannt und fröhlich für dich zu werden – eine Art Ersatzfamilie suchen. Vielleicht feierst du mit Freund:innen zusammen Weihnachten, statt mit deiner Ursprungsfamilie. Und falls du einfach nur deine Ruhe haben willst, machst du es dir bei dir zu Hause oder an einem schönen Ort gemütlich und verbringst die Weihnachtsfeiertage genau so, wie du es gerne magst. Ohne Stress, ohne Ärger, ohne toxisches Verhalten, ohne Gewalt.
Egal, für welche Variante du dich entscheidest: Es ist völlig in Ordnung so. Auch dafür musst du dich nicht erklären oder rechtfertigen. Du hast als erwachsener Mensch jedes Recht, dich selbst zu entscheiden, wie du die Feiertage verbringen willst. Und eine Entscheidung gegen toxische Gewalt ist immer auch eine Entscheidung für dich.