Die Folgen für Partner:innen toxischer Menschen.
Solltest du „Woran erkennst du eine:n toxische:n Partner:in?“ und „Typische Methoden toxische:r Partner:innen“ noch nicht gelesen haben, findest du diese Texte hier und hier.
Die Folgen toxischen Verhaltens und toxischer Gewalt können dich dein gesamtes weiteres Leben beeinträchtigen. Jede Beziehung zu einem toxischen Menschen, auch eine vergleichsweise kurze Beziehung, kann dich krank machen und zahlreiche Spuren hinterlassen.
Welche Folgen können Partnerschaften mit toxischen Menschen haben?
Viele der Spuren, die ein solcher Mensch hinterlässt, sind Spuren der Verwüstung und Zerstörung. Da er seine Gewalt oft nur unterschwellig und nach und nach ausübt, wirst du die Folgen teilweise erst nicht bemerken. Genauso wie du die Gewalt wahrscheinlich zu Beginn gar nicht erkannt hast. Manche der Folgen werden sich auch erst im Lauf deines weiteren Lebens mehr oder weniger deutlich zeigen. Einige der Folgen treten schon nach wenigen Wochen mit einem toxischen Menschen auf, andere entwickeln sich erst mit der Zeit. Und manche zeigen sich erst nach der Trennung. Je länger du in einer toxischen Partnerschaft bist, desto stärker können die Folgen sein. Einige dieser möglichen Folgen sind z. B.
Ein (stark) reduzierter Selbstwert
Obwohl du vor dieser Beziehung ein unabhängiger, selbstständiger Mensch warst, kann es dir während und nach der Beziehung schwerfallen, eigene Entscheidungen zu treffen. Zu sehr bist du dann verunsichert durch die häufige Kritik und Abwertung durch diesen Menschen, durch seine hintertückischen Manipulationen. Dein Selbstwert ist möglicherweise völlig im Keller, und dein Selbstbild ebenso. Das macht dich in manchen Dingen sehr viel abhängiger von anderen Menschen und ihren Meinungen als früher.
Vielleicht schämst du dich weit mehr als früher, oder empfindest einen starken Selbsthass. Womöglich kannst du dir nicht verzeihen, dass du dich jemals auf diesen Menschen eingelassen hast und gibst dir selbst die Schuld dafür (die du aber nicht hast!). Andere mögen dir diese Schuld ebenfalls einreden (auch sie liegen falsch!), und es kann sehr schwer sein, dich von ihnen abzugrenzen. Vielleicht zweifelst du noch sehr lange, ob du nicht doch selbst zu all der Gewalt beigetragen hast (hast du nicht!).
Starker Vertrauensverlust
Die oben genannten (Selbst-) Zweifel können dich hemmen und dein ohnehin schon ramponiertes Selbstvertrauen immer weiter zerstören. Du wirst dir deshalb selbst nicht mehr vertrauen, weder deinem Instinkt, deiner Wahrnehmung und Intuition, deinen Erinnerungen, Einschätzungen noch all dem, was du bislang gelernt und für wahr und richtig gehalten hast. Besonders nach einer jahre- oder jahrzehntelangen toxischen Beziehung kann es sehr lange dauern, um wieder ein gewisses Maß an Grundvertrauen aufzubauen.
Doch nicht nur dein Selbstvertrauen kann stark beeinträchtigt sein. Du hattest diesem Menschen vertraut und bist besonders perfide getäuscht und betrogen worden. Das kann dazu führen, dass du nun auch extrem zurückhaltend bist, wenn es darum geht, anderen Menschen zu vertrauen. Dann verschließt du dich, ziehst dich vielleicht auch zurück und findest es sehr schwer, neue Freundschaften zu schließen. Bekanntschaften gehen, aber Freundschaften, in denen Vertrauen die wichtigste Basis ist, können sehr schwierig zu finden sein. Du bist dann immerzu auf der Hut, und wägst ab, was du sagst und wie du es sagst. Du grübelst über alles nach, was diese potenziellen Freund:innen sagen und tun. Und du weißt vielleicht gar nicht mehr, woran du dich orientieren sollst, weil dir zeitweise irgendwie alles und alle verdächtig vorkommen.
Endloses Grübeln
Schon während der Beziehung haben sich deine Gedanken wahrscheinlich schon immerzu im Kreis gedreht. Du bist aus der kognitiven Dissonanz
oft kaum herausgekommen. Dieses endlose Grübeln wirst du auch nach dem Ende der Beziehung nicht auf Knopfdruck wieder abstellen können. Daher wirst du immer und immer wieder über Erlebnisse, Handlungen und Worte nachgrübeln und über das, was du (vermeintlich) hättest besser machen können. Das kostet unwahrscheinlich viel Energie, gute Laune und nimmt dir viel von deiner Spontaneität.Grenzen sind pulverisiert
In der Beziehung hat der toxische Mensch mit aller Macht und allen Tricks versucht, deine Grenzen zu sprengen. Und je länger die Beziehung gedauert hat, desto erfolgreicher wird er damit gewesen sein. Du wirst diesem Menschen wesentlich mehr durchgehen lassen haben als du es in anderen Beziehungen getan hast. Und du wirst viele Dinge getan haben, die dir sehr widerstrebt haben. Doch das hat nie gereicht, er hat dich immer weiter über deine Grenzen hinaus gedrängt. Mit diesem Verschieben oder sogar Pulverisieren deiner Grenzen hat dieser Mensch erreicht, was er wollte: Macht, Kontrolle und Dominanz über dich.
Wer eine solche Beziehung hinter sich hat, hat zu Beginn oft große Schwierigkeiten, sich wieder abzugrenzen. Zu groß ist die Angst, auf Ablehnung zu stoßen. Aber du bist vielleicht auch schon zu sehr daran gewöhnt, kaum oder gar keine Grenzen mehr zu setzen. Es kann sehr lange dauern, bis du wieder in der Lage bist, deine eigenen Grenzen zu erkennen. Und auch mal nein zu sagen, ohne Angst vor Strafen oder vor dem Verlassenwerden zu haben.
Krankheiten ohne offensichtliche Auslöser oder Gründe
Toxische Gewalt über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt nie nur die Seele, sondern schädigt so gut wie immer auch den Körper. So kann es neben einer unerklärlichen Energie- und Kraftlosigkeit sein, dass du auch chronisch erkrankst. Symptome solcher Erkrankungen können z. B. starke Schwermut bis hin zur Depression sein, unerklärliche Schmerzen, Verdauungsprobleme, Gleichgewichtsstörungen, Autoimmunerkrankungen, Hautprobleme wie unreine Haut, starker Haarausfall und vieles mehr.
Dsyreguliertes Nervensystem
Auch unser Nervensystem kann durch toxische Gewalt stark beeinträchtigt werden. Es kommt dann aus dem Gleichgewicht. Dabei fühlst du dich innerlich angegriffen, kraftlos, schläfst schlecht, hast Stimmungsschwankungen. Du kannst mit Veränderungen nur schlecht umgehen, bist angespannt und immerzu auf der Hut. Du hast Schwierigkeiten, dich zu konzentrieren und im Hier und Jetzt zu sein. Deine Gefühlslage schwankt scheinbar ohne Auslöser zwischen Extremen, du hast Ängste und vielleicht auch Panikattacken, die du früher nie hattest.
Insbesondere auch bei ganz bestimmten Triggern (Auslösern) kann es sein, dass du ganz anders reagierst als du es früher getan hast. Vielleicht warst du immer unerschrocken, aber zuckst jetzt zusammen, wenn jemand unerwartet die Hand hebt. Oder du hast unerklärliche Schmerzen, oder unerwarteten Muskelbewegungen (Zucken) und weitere Symptome, die auch typisch für eine k-PTBS sein können (s. u.).
k-PTBS (komplexe Posttraumatische Belastungsstörung)
Nicht alle Opfer toxischer Menschen bekommen durch dessen Verhalten eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (k-PTBS). Doch es sind weit mehr als wir gemeinhin denken – die meisten erfahren nur nie, dass die k-PTBS der Grund für ihre oft unerklärlichen Symptome ist. Die komplexe PTBS unterscheidet sich von der einfachen dadurch, dass sie nicht durch ein einzelnes traumatisches Vorkommnis ausgelöst wurde. Vielmehr entsteht sie durch das wiederholte Erleben traumatischer Dinge, z. B. der toxischen Gewalt durch eine:n Partner:in.
Bei einer k-PTBS wirst du durch bestimmte Dinge getriggert, d. h. etwas geschieht, du nimmst es (meist unbewusst) wahr und dein Körper reagiert darauf. Z. B. können Worte, Bewegungen, Düfte u. a. sogenannte Flashbacks hervorrufen, die dich automatisch reagieren lassen, ohne dass du (sofort) einen Zusammenhang erkennst. In diesen Momenten erlebst du dann innerlich genau das erneut, was du in der Beziehung immer wieder erlebt hast. So lässt dich die k-PTBS ggf. noch jahre- oder jahrzehntelang in solchen Momenten immer wieder z. B. zittern, versteifen, überreagieren, dissoziieren, hyperventilieren, extrem schwitzen, weglaufen, dich ducken, Unruhe und Angst spüren. Vielleicht redest du dann plötzlich viel zu viel oder verfällst untypisch ins Schweigen. Oder du sagst immer wieder Verabredungen ab und ziehst dich lieber zurück. Oder du verfällst in ein untypisch freizügiges oder überdrehtes Verhalten und vieles mehr. Auch das alles kann dich unwahrscheinlich viel Kraft kosten und in endlose Grübelspiralen schicken.
Dein Leben geht nicht mal eben normal weiter
Nach einer toxischen Beziehung kann es sein, dass du kaum oder gar nicht mehr an dein altes Leben anknüpfen kannst. Vielleicht hat dich dieser Mensch von deinem alten Umfeld vollständig isoliert und deine alten Kontakte zerstört. Vielleicht hast du wegen dieses Menschen deinen Job gekündigt und kannst nicht wieder zurück. In aller Regel beeinflussen toxische Menschen die gesamten Lebensumstände ihrer Opfer negativ.
Warst du mit einem solchen Menschen verheiratet, dann wirst du wahrscheinlich auch nicht mal eben eine Scheidung bekommen (es sei denn, dieser Mensch hat ein neues Opfer gefunden, das er unbedingt durch eine Heirat an sich binden möchte). Du wirst womöglich jahrelang immer wieder mit diesem Menschen zu tun haben. Denn er reicht nicht die geforderten Nachweise und Dokumente ein oder tut dies immer nur unvollständig. Oder er zahlt nicht den gerichtlich vorgeschriebenen Unterhalt. Er rückt dein Eigentum, das er noch hat, oder deine Tiere nicht raus. Er beeinflusst die Behörden und eure Kinder negativ gegen dich, sodass jeder Behördenkontakt und jede Übergabe der Kinder zum Nervenkrieg gerät. Er taucht immer wieder ungebeten in deinem Leben auf, stalkt dich vielleicht sogar. Immerzu bist du auf der Hut, was wohl als nächstes passieren wird.
Nachtrennungsgewalt ist ein äußerst ernstes Thema, das leider bis heute fast vollständig unter den Tisch gekehrt wird – noch mehr als die Gewalt vor der Trennung (und gegen die wird schon nicht ansatzweise ausreichend getan). So kann ein toxischer Mensch dich oft ungestört finanziell ruinieren, dich zum Wegzug aus deinem gewohnten Umfeld nötigen, alte Freundschaften unwiderruflich zerstören, deine Familie und dein Umfeld gegen dich aufbringen. Manche Opfer verlieren sogar ihre Kinder und/oder Tiere an diesen Menschen. Das Leben sehr vieler Opfer kann nicht einmal nach der Trennung so weitergehen wie vor der Beziehung.
Mehr zu Nachtrennungsgewalt findest du hier: „Was ist Nachtrennungsgewalt?“ und hier: „Was kannst du bei Nachtrennungsgewalt tun?“ (P)
Was kannst du nun tun?
Ob du noch in der Beziehung bist oder sie hinter dir hast, ganz wichtig ist, dass du ganz bewusst sanfte Selbstfürsorge betreibst. Du hast Schlimmes erlebt, wurdest belogen und betrogen, und all das hatte wahrscheinlich teils gravierende Folgen. Sei deshalb nachsichtig mit dir, deiner Psyche und deinem Körper, wenn nicht alles immer so funktioniert, wie du es erwartest. Hab viel Geduld mit dir selbst, gib dir die Zeit, die du brauchst, um dich zu erholen und zu heilen. Wie lange das dauert, ist sehr individuell und abhängig von der Beziehung, den Formen der Gewalt, die du erlebt hast, und der Länge des Zeitraums, in dem du es erlebt hast. Manche sind nach ein paar Wochen durch damit, andere erst nach Jahren. Und beides ist o. k.
Als die tatsächlich bessere Hälfte einer toxischen Beziehung musst du der Manipulation und Gewalt des toxischen Menschen nicht hilflos ausgeliefert sein. Es gibt Möglichkeiten, dich so gut wie nur irgendwie möglich zu schützen. Dafür ist es wichtig, dass du die Red Flags und die Methoden erkennen lernst, die dieser Mensch anwendet. Denn nur mit diesem Wissen wirst du deine Kommunikation und dein Handeln so anpassen können, dass du so wenig wie möglich zu Schaden kommst.
Erlebst du bereits körperliche Gewalt oder befürchtest du sie zu erleben, wenn du dich trennst, dann suche dir bitte unbedingt in deiner Nähe professionelle Hilfe. Auch dann, wenn du aktuell noch glaubst, dass dieser Mensch dir niemals körperlich ernsthaft schaden würde. Die Erfahrung zeigt leider, dass es von gewalttätigen Worten zu körperlicher Gewalt und von „geringfügiger“ zu lebensbedrohlicher Gewalt oft nur ein winziger Schritt ist. Einige Anlaufstellen für solche Hilfen findest du hier: „Erste Hilfen“.
Mehr über die Red Flags und Methoden toxischer Menschen findest du hier.
Und mehr dazu, wie du dich vor diesen Methoden schützen kannst, findest du hier.