Toxische Menschen verstehen: Warum das schwierig, hilfreich und schädlich sein kann, aber nötig ist

Toxische Menschen verstehen möchten viele gerne. Doch ist es gar nicht so einfach, diese labyrinthartige Welt zu durchdringen. Schaffst du es halbwegs, kann das ungeheuer hilfreich für dich sein, aber genauso gut auch ziemlich schädlich. Warum ist das so? Und gibt es einen guten Mittelweg?

Wer es mit einem toxischen Menschen zu tun hat oder hatte, empfindet häufig einen starken Drang danach, diesen Menschen zu verstehen. Warum ist dieser Mensch so? Warum tut er diese Dinge? Warum missversteht er mich dauernd? Warum tut er mir weh? Was denkt er sich dabei? Denkt er sich überhaupt etwas dabei? Sieht er nicht, wie ich leide? Warum ändert er sich nicht? Was ist da los?

Toxische Menschen verstehen zu wollen, ist verständlich

Du wirst wahrscheinlich oft hören: „Sei doch froh, dass du ihn los bist!“ und „Kümmere dich jetzt lieber um andere Dinge.“ Dennoch wirst du das Gefühl nicht los, dass das, was dir mit einem toxischen Menschen passiert ist, so wunderbar oder positiv, widersinnig und grausam zugleich war, dass du unbedingt herausfinden musst, was da wirklich los war. Denn du hast das Gefühl, dass du vorher nicht zur Ruhe kommen, geschweige denn dich erholen und heilen können wirst.

Das ist nicht nur absolut verständlich, sondern kann auch richtig und wichtig für dich sein. Dir Klarheit darüber zu schaffen, woher das Toxische an diesem Menschen kommt, warum er so redet(e) und handelt(e), kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg sein, dir dein eigenes Leben wieder zurückzuholen. Tust du es nicht, forschst du nicht nach, was da los war, dann können diese offenen Fragen immer in deinem Hinterkopf sein. Die dadurch anhaltende Unsicherheit, Unklarheit und Verwirrung kann dich auf Dauer sehr belasten. Und es wäre die Fortsetzung der Unsicherheit, Unklarheit und Verwirrung, die der toxische Mensch bereits verursacht hat.

Warum ist es schwierig, toxische Menschen zu verstehen?

Herauszufinden, was den toxischen Menschen so toxisch macht und warum er sein Verhalten nicht ändert, ist gar nicht leicht. Zum einen ist dieses Themenfeld bislang nur vergleichsweise rudimentär erforscht. Zum anderen ist es für uns sehr schwer, uns vorzustellen, wie ein anderer Mensch so toxisch sein kann. Wie es ihm völlig egal sein kann, welches Leid er anderen mit seinem Handeln antut. Wie er sich für die Folgen der eigenen Entscheidungen so wenig verantwortlich fühlen kann. Wie er so gefühlskalt zu denen sein kann, die er doch angeblich liebt oder mag oder auf die er große Stücke hält. Wie er selbst zu Kindern so seelisch und körperlich grausam sein kann.

Das alles ist für uns nur sehr schwer begreifbar. Denn es ist so weit weg vom Normalen, so verwirrend und teils auch so unfassbar, dass es schwierig ist, sich darauf einen Reim zu machen. Dennoch kann es ungemein hilfreich sein, es zumindest zu versuchen.

Inwiefern kann es hilfreich sein, toxische Menschen zu verstehen?

Eins vorab: Toxische Menschen verstehen zu wollen heißt nicht, dadurch automatisch Verständnis für ihr Handeln zu haben und es damit womöglich zu entschuldigen. Es heißt lediglich, Licht in das Dunkel zu bringen, das ihr Denken und Handeln für uns ist. Es heißt, nachvollziehen zu können, weshalb ein Mensch, der sich selbst als äußerst friedliebend, hart arbeitend, fair, empathisch und liebevoll bezeichnet, sich dir gegenüber streitlustig, faul, unfair, ohne jedes Mitgefühl und grausam verhält. Das kann für Betroffene von toxischer Gewalt extrem hilfreich sein.

Du hast dich während deiner Beziehung zu einem toxischen Menschen wahrscheinlich immer wieder in einem Zustand der totalen Verwirrung befunden, weil dessen Verhalten so unerklärlich war. Und warst aufgrund seiner wiederholten „Zuckerbrot & Peitsche“-Nummern vielleicht absolut verunsichert. Jetzt herauszufinden, dass es Erklärungen dafür gibt, dass es dazu bereits wissenschaftliche Untersuchungen gab und dass das alles einen Namen hat – das kann eine große Erleichterung sein. Es kann dir endlich ein wenig Sicherheit zurückgeben nach einer langen Zeit der Unsicherheit. Und es kann dir endlich das Vertrauen in deine Wahrnehmung, deine Gefühle und deine Intuition zurückgeben und dich dadurch enorm stärken.

Warum kann dies aber auch schädlich sein?

Dich über toxisches Verhalten und seine Hintergründe informieren zu wollen, ist also zunächst einmal wichtig, gut und hilfreich. Doch kann es sein, dass du dadurch in einen neuen Sog gerätst. Nämlich den, gar nicht mehr damit aufhören zu können, dich mit dem Verhalten des toxischen Menschen zu beschäftigen.

Das führt bei manchen Betroffenen von toxischer Gewalt dazu, dass sie in die gleiche Falle tappen, in der sie bereits zu der Zeit waren, als sie es ständig mit dem toxischen Menschen zu tun hatten: Ihre Gedanken drehen sich vorrangig um den toxischen Menschen und sein Verhalten. Und sie versäumen es dadurch, sich besser um sich selbst, um ihre seelische und körperliche Gesundheit und um ihre Heilung zu kümmern. Die aber sollten immer an erster Stelle stehen.

Wie könnte der Mittelweg aussehen?

Wie der beste Mittelweg für dich aussieht, das kannst natürlich nur du selbst sagen. Empfehlenswert ist, diesen Weg zusammen mit einer Person zu gehen, die sich mit den Traumata durch toxische Gewalt und mit Narzissmus, Psychopathie usw. sehr gut auskennt. Doch solche Personen sind nicht leicht zu finden – allein die Suche nach einem Therapieplatz, der nicht erst viele Monate später frei wird, ist in Deutschland leider schon ein Alptraum für viele Betroffene.

Was du aber unterdessen tun kannst, um nicht wieder im toxischen Strudel unterzugehen, ist z. B. dies:

  • Lege dir Zeiten fest, in denen du dich mit Informationen über toxisches Verhalten beschäftigst: eine halbe Stunde pro Tag oder zwei Stunden pro Woche oder was auch immer in deinen Zeitplan passt. Diese Zeiten sollten möglichst tagsüber sein, lange bevor du schlafen gehst, damit du im Anschluss immer genug Zeit hast, dich wieder auszubalancieren (s. u.).
  • Halte dich konsequent an diese Zeiten und versuche, jeder Versuchung zu widerstehen, dich auch zwischendrin damit auseinanderzusetzen.
  • Gewöhne dir ein neues Ritual an: Immer, wenn du dich mit diesem Thema abgibst, wenn du an den toxischen Menschen denkst oder dich dabei ertappst, dir selbst Dinge zu sagen oder vorzuwerfen, die der toxische Mensch dir vorgeworfen hat, tue dir etwas Gutes. Insbesondere dann, wenn du außerhalb der von dir gesetzten Zeiten in Versuchung gerätst, dich mit toxischen Gedanken und Themen zu beschäftigen. Mach Sport, geh spazieren, meditiere, mach dir eine leckere Tasse Tee, hol dir ein Stück Kuchen, mach es dir zu Hause gemütlich, umgib dich mit netten Menschen, geh ins Kino oder mach, was auch immer dir gerade so richtig guttut.

Auf diese Weise lernst du, ganz bewusst auf Abstand zu dem ganzen toxischen Mist zu gehen, und du lernst, dich und deine emotionale, seelische und körperliche Gesundheit an die erste Stelle zu setzen. Du lernst, klare Grenzen zu setzen. Und du übst dich darin, aktiv zu wählen zwischen der Beschäftigung mit dem Negativen und Toxischen oder dem Kümmern um dein Wohlergehen. Damit gibst du dir selbst eine gute Chance, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, dir dein Leben zurückzuholen und zu heilen.

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