Den Muttertag oder Vatertag gut überstehen zu können, ist bei toxischen Eltern oft wirklich schwer. Denn an solchen Tagen fahren diese Eltern gerne das große toxische Besteck auf und machen allen Anwesenden den Tag zur Hölle. Wie kannst du den Tag gut überstehen, wenn du nicht vermeiden kannst, ihn mit ihnen zu verbringen?
Was macht Muttertag oder Vatertag für Kinder toxischer Eltern so schwer zu überstehen?
Die meisten toxischen Eltern erwarten, dass sich an Muttertag oder Vatertag alles, wirklich alles um sie dreht. Und zwar in jeder Sekunde. Das allein macht es aber nicht so schwer, den Muttertag oder Vatertag gut zu überstehen. Denn wenn wir ein Elternteil lieben, dann tun wir ihm ja gerne den Gefallen, in die zweite Reihe zu treten und ihm einen wirklich schönen Tag zu ermöglichen. Insbesondere, wenn wir ihnen dankbar für all das sind, was sie für uns getan haben.
Toxische Eltern, ob es das aktiv toxische Elternteil ist oder das befähigende Elternteil
, haben aber in der Regel nicht viel für ihre Kinder getan. Stattdessen haben sie jede Menge gegen ihre Kinder getan. Sie haben sie ausgenutzt, manipuliert, isoliert, unter Druck gesetzt, emotional und finanziell erpresst, sie haben sie emotional vernachlässigt und ihnen andere Formen der Gewalt angetan. Sie haben den Kindern die Träume genommen. Sie haben ihre Bedürfnisse und Wünsche verspottet. Und sie haben ihren Selbstwert und ihr Selbstvertrauen weitgehend zerstört.Egal, wie viel Mühe du dir gibst: Du weißt nie, wie das Elternteil reagieren wird
Für all das nun offiziell dankbar sein zu müssen, geht schlicht zu weit. Doch genau das verlangen viele toxische Eltern. Sie wollen, dass die Kinder vollzählig bei den Eltern erscheinen, damit sie überall herumerzählen (also prahlen) können, wie dicke sie in ihrer Familie seien. Und dann braucht es nur eine winzige Kleinigkeit (z. B. die „falsche“ Frisur, „unpassende“ Kleidung, ein unbedachtes Wort oder auch nur mangelnder Appetit aufgrund von Magenschmerzen), damit das Elternteil dann spätestens hinter verschlossenen Türen wieder seine vermeintlich „liebevolle“ Maske fallenlässt und sich benimmt wie immer: extrem egoistisch, verletzend, hintertückisch und bösartig. Es kann aber auch passieren, wenn ein Kind sich überhaupt oder sogar mehr mit dem anderen Elternteil oder einem Geschwisterkind beschäftigt, dass das gefälligst zu feiernde Elternteil explodiert oder sich beleidigt zurückzieht.
Bei toxischen Eltern weiß man nie, auf welche Laune man trifft, und durch was sie in jeder Sekunde kippen könnte. Wird es glimpflich ausgehen, weil das Elternteil schon genug toxisches Futter
bekommen hat, und sich milde geben wird? Oder wird es wieder einmal großes Drama geben, an dem natürlich mindestens das Sündenbock-Kind Schuld trägt? Deshalb hängst vielen Kindern schon Tage zuvor das Herz in der Hose. Und sie wissen, sie werden mal wieder wie auf rohen Eiern gehen müssen – und auch das wird keine Garantie dafür sein, dass alles gut gehen wird.Muttertag und Vatertag mit toxischen Eltern sind weit, weit schwieriger als mit normalen Eltern
Hinzukommt, dass viele Kinder toxischer Eltern teils starke seelische, emotionale und körperliche Symptome aufweisen, wenn sie zu den Eltern müssen. Manche bekommen z. B. Herzrasen oder eine Angst– oder Panikattacke. Andere bekommen scheinbar unerklärliche Schmerzen, Verdauungsprobleme oder auch „nur“ Magendrücken und Übelkeit. Das heißt, ihre Kräfte, sich gegen das Elternteil an diesem Tag zu behaupten, sind ohnehin häufig schon reduziert.
Da dieses Elternteil geradezu riechen kann, wenn es dem Kind nicht gut geht, stellt es sein Verhalten darauf ein. Aber nicht so, wie normale Eltern das tun würden. Ein toxisches Elternteil wird dann nicht fürsorglich oder sagt dem Kind, dass es diesmal nicht kommen, sondern erst einmal wieder gesund werden soll. Vielmehr verstärkt ein toxisches Elternteil seine Manipulationen und Gewalt nun erst recht. Z. B. erpresst oder demütigt es das Kind, sagt andere verletzende Dinge, weil es beleidigt ist. Oder es explodiert, erklärt den Feiertag für beendet, und all das habe man nur dem Kind zu verdanken.
Muttertag und Vatertag sind also nie so wie bei normalen Eltern – sie sind teils um Lichtjahre schwerer zu überstehen. Und da man mit toxischen Menschen nicht so umgehen sollte wie mit normalen Menschen, braucht man besondere Tipps und Tricks, um einen solchen Tag wenigstens halbwegs gut zu überstehen.
Wie kannst du Muttertag oder Vatertag gut überstehen?
Mutter- oder Vatertag können für Kinder toxischer Eltern sehr schmerzhaft sein. Selbst wenn sie den Kontakt längst reduziert oder abgebrochen haben oder das Elternteil bereits verstorben ist, können rund um diese Tage für viele schwierige Gefühle aufkommen. Für alle Fälle können die folgenden Tipps hilfreich sein.
1. Es ist nicht deine Schuld!
Mache dir immer wieder klar, dass das, was da passiert, nicht deine Schuld ist. An dem toxischen Verhalten deines Elternteils ist ausschließlich das Elternteil schuld. Du bist auch nicht für seine Launen verantwortlich oder dafür, dass das Elternteil jeden besonderen und Feiertag torpediert.
2. Es ist in Ordnung, nie erhaltene ehrliche Entschuldigungen zu betrauern.
Worüber wir selten sprechen, ist die Trauer, die Kinder toxischer Eltern oft jahre- und jahrzehntelang erleben. Denn sie erhalten so gut wie nie eine ehrlich gemeinte Entschuldigung für das, was das toxische Elternteil ihnen angetan hat. Da ist es völlig in Ordnung und verständlich, wenn du das bis heute betrauerst. Denn du hättest diese Gewalt niemals erleben dürfen – es haben alle Erwachsenen in deinem Umfeld versagt. Nimm dir also Zeit, darum zu trauern und zu heilen.
3. Lerne radikale Akzeptanz.
Radikale Akzeptanz bedeutet in unserem Zusammenhang, dass du akzeptierst, dass sich dein toxisches Elternteil niemals ändern wird. Auch dein enabelndes
Elternteil wird sich nicht ändern. Das ist ein harter Brocken, denn Opfer toxischer Menschen hegen meistens über viele Jahre die Hoffnung, dass sich etwas zum Besseren verändern wird, wenn sie sich nur genug anstrengen. Diese Hoffnung sausen zu lassen, kann sehr schmerzhaft sein, aber auch sehr befreiend und heilsam.4. Lerne die VEEP-Methode.
Die Narzissmus-Expertin Dr. Ramani Durvasula nennt sie die DEEP-Methode. DEEP ist ein Akronym (also ein aus den Anfangsbuchstaben einiger Wörter gebildetes neues Wort). Es steht für:
- Don’t defend,
- don’t explain,
- don’t engage,
- don’t personalize.
Auf Deutsch bedeutet das:
- nicht verteidigen und rechtfertigen,
- nicht erklären,
- nicht einlassen auf ihre Spielchen,
- nicht persönlich nehmen.
Also kurz: VEEP. Das sind nämlich sehr typische Köder, mit denen toxische Menschen ihre Opfer gerne in die Falle locken. Greift dein Elternteil dich an, verteidige oder rechtfertige dich einmal in aller Kürze, aber nicht mehr. Will es eine Erklärung haben, erkläre dich einmal kurz und knapp, aber nicht öfter. Lass dich nicht auf die Palme treiben oder zu einer emotionalen (z. B. wütenden) Reaktion treiben. Und nimm seine Angriffe nicht persönlich – es würde jedes andere Opfer ganz genauso behandeln.
Mit der VEEP-Methode kannst du dich nicht nur schützen. Du kannst dich auch als Angriffsfläche für dein toxisches Elternteil auf Dauer uninteressant machen, wenn du sie konsequent durchhältst. Sollte das aber nicht gleich klappen, weil das Elternteil dich jetzt erst recht aufs Korn nimmt, dann kann dir der nächste Tipp helfen.
5. Nimm das Toxische Bullshit-Bingo zu Hilfe.
Was das Toxische Bullshit-Bingo ist, habe ich in diesem Artikel erklärt. Und in diesem Artikel erfährst du, wie es dir sowohl bei Telefonaten als auch bei Besuchen an Tagen wie Mutter- oder Vatertag helfen kann. Wichtig ist, dass du weißt, dass du jederzeit fahren kannst – du musst dir das ganze toxische Muttertags- oder Vatertags-Drama nicht antun. Wenn du genug hast, fährst du wieder. Das ist deine Entscheidung und du hast die Freiheit, sie so zu treffen, dass du nicht zu Schaden kommst. Ist dieser Tag bislang immer ähnlich verlaufen, dann kannst du schon von vornherein deine Anwesenheit begrenzen, indem du nur eine oder zwei Stunden dafür einplanst.
6. Plane etwas anderes für den Muttertag oder Vatertag.
Es gibt kein Gesetz, das dir vorschreibt, zu deinem toxischen Elternteil fahren zu müssen. Wenn du das nicht tun möchtest, dann tu es nicht. Plane stattdessen diesen Tag für dich selbst ein. Ob du eigene Kinder hast oder nicht, nimm dir etwas Schönes für diesen Tag vor – ob das etwas Aktives ist oder etwas Entspanntes zu Hause. Umgib dich mit vertrauten Menschen, die diesen Tag auch nicht feiern (möchten), und macht gemeinsam etwas anderes. Startet vielleicht eine ganz eigene neue Tradition. Kannst du dir deine Arbeitszeit aussuchen, dann leg auf diesen Tag einen Arbeitstag und nimm dir dafür einen anderen Tag frei.
7. Denk an sanfte Selbstfürsorge.
Das heißt, denk nicht nur an sanfte Selbstfürsorge, sondern sei an diesem Tag sehr fürsorglich zu dir selbst. Kommen starke Gefühle in dir auf, ist das völlig o. k. Lass sie raus, wenn du damit dir selbst oder anderen nicht schadest. Fährst du zu deinem Elternteil, gönne dir anschließend ganz bewusst etwas richtig Gutes, um innerlich wieder in die Balance zu kommen. Mache etwas Körperliches, z. B. Sport oder einen langen Spaziergang, damit du dich wieder im Ganzen spüren kannst und nicht klein wirst wie es dein toxisches Elternteil vielleicht gerne hätte. Tue an diesem Tag oder danach das für dich selbst, was du dir von deinem toxischen Elternteil gewünscht hättest.
Wie kann es danach weitergehen?
Es gibt ja jedes Jahr Mutter- und Vatertage, an denen du entweder zu Dingen verpflichtet bist, die du nicht tun willst, oder die dich triggern. Deshalb kann es hilfreich sein, dass du neben dem Einüben der oben erwähnten Tipps auch noch weitergehst.
Nimm professionelle Hilfe in Anspruch.
Es kann sehr schwer sein, die Folgen, die eine von toxischem Verhalten, emotionaler Vernachlässigung und Gewalt geprägte Kindheit haben kann, alleine aufzuarbeiten. Es ist daher völlig in Ordnung, dir professionelle Hilfe dafür zur Seite zu holen.
Es ist auch in Ordnung, dies der toxischen Familie zu verschweigen – es geht sie nämlich genau gar nichts an. Auch wenn du vielleicht das Gefühl hast, dem toxischen Elternteil unbedingt sagen zu wollen: Schau, das hast du angerichtet! Jetzt muss ich wegen dir sogar in Therapie!, wird das rein gar nichts an dem Verhalten dieses Elternteils zum Positiven verändern. Auch da hilft dir die oben beschriebene radikale Akzeptanz. Denk deshalb immer an dich selbst zuerst und an das Toxiversum-Exit-Mantra:
Die beste Rache ist ein gutes Leben!
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