Ob ein toxischer Mensch dich isoliert, wirst du zu Beginn wahrscheinlich gar nicht bemerken. Zu gut verpackt er das in alle möglichen (scheinbar gut gemeinten) Bemerkungen, Ratschläge und Beteuerungen. Doch warum tut er das überhaupt? Und woran kannst du erkennen ob du von jemandem isoliert wirst?
Bei dieser Methode wie bei allen anderen toxischen Methoden ist es ganz egal, ob du das bei der Arbeit erlebst oder im Privatleben, in der Familie oder der Ehe, in Königshäusern, bei Promis oder bei Geringverdienenden, ob es Einzelpersonen sind oder eine Gruppe, der du dich angeschlossen hast: Methode und Ziel sind bei allen immer die gleichen.
Wie kannst du erkennen, ob ein toxischer Mensch dich isoliert?
Ein toxischer Mensch fängt nicht als Allererstes, gleich zu Beginn eurer Beziehung, damit an, dich deinem unterstützenden Umfeld zu entziehen. Er schaut sich die Personen, die dir die wichtigsten sind, erst einmal genau an. Er will von dir möglichst viel über sie erfahren und von ihnen möglichst viel über dich. Und dafür tut er so, als sei er total an dir und ihnen interessiert. Sein Interesse gilt dabei allerdings insbesondere den negativen Dingen über euch, z. B. den Unterschieden, Meinungsverschiedenheiten, Unstimmigkeiten und Streitigkeiten.
In der Zwischenzeit beginnt er, dich mit Hilfe von Gaslighting und anderen Manipulationen langsam aber sicher zu verunsichern und zu destabilisieren. Denn du interessierst ihn wenig. Ihn interessieren auch deine Stärke, deine Fähigkeiten, deine Wahrnehmungen und Erfahrungen reichlich wenig. Ihn interessiert in erster Linie, wie er dich dazu bringen kann, das zu tun, was er will. Z. B. ihm Geld zu geben, ihm Zugang zu wichtigen Leuten zu verschaffen oder ihm gratis die Drecksarbeit abzunehmen. Und das geht am besten, wenn du dir selbst und allem, was dich bislang ausgemacht und erfolgreich gemacht hat, nicht mehr traust.
Ein toxischer Mensch isoliert dich auf sehr hinterhältige Weise
Dann wendet er sich nochmal deinem Umfeld zu. Er isoliert dich eher nicht durch Verbote wie: „Ich verbiete dir, dich noch einmal mit dieser Person zu treffen!“ Das wäre natürlich am Anfang noch viel zu offensichtlich. Verbote kommen eher später, wenn ihm die Felle wegschwimmen, weil du langsam Zweifel an ihm bekommst. Jetzt aber geht der toxische Mensch erst einmal sehr hinterhältig dabei vor. Hier einige Beispiele:
- Der toxische Mensch redet dir ein, dass mit einer dir wichtigen Person etwas nicht stimmt. Wahrscheinlich hast du ihm schon einmal von einem Streit mit ihr erzählt oder ihm gesagt, was dir an ihr nicht gefällt – und daran dockt er nun an. Er unterstellt dieser Person erfundene Handlungsweisen oder Motive, die auf eurem Streit oder deinem Missfallen aufbauen und für dich daher halbwegs glaubwürdig klingen.
- Triffst du dich dennoch mit dieser Person, dann wirft er dir vor, bescheuert zu sein und deine Zeit zu verschwenden, weil du dich immer noch mit ihr abgibst, obwohl du doch wüsstest, was diese Person insgeheim wirklich über dich denke oder von dir wolle.
- Oder du vertraust ihm an, dass du eine bestimmte Person nicht magst. Dir gegenüber behauptet er, dass er diese Person auch nicht ausstehen könne und nichts mit ihr zu tun haben wolle. Später aber erfährst du, dass er mit dieser Person schon die ganze Zeit Kontakt hat und sie immer wieder trifft.
- Er redet hinter deinem Rücken mit einer Person und lügt ihr vor, du wolltest deine Ruhe haben oder du würdest schlecht über sie reden, was diese Personen dazu bringt, auf Distanz zu dir zu gehen. Dir gegenüber behauptet er aber, sie hätten gesagt, du hättest schlecht über sie geredet und sie seien sauer, oder sie wollten ihre Ruhe haben.
- Er sagt dir, er könne diese betreffenden Personen nicht leiden. Ihm zuliebe reduzierst du den Kontakt.
- Er behauptet dir gegenüber, eine Person habe über dich hergezogen. Und er beschwört dich, es sei doch wirklich unter deiner Würde, dich noch länger mit dieser Person abzugeben.
- Er überwacht und kontrolliert deine Kommunikation mit anderen, nicht nur heimlich, sondern auch ganz offen und stellt dich wegen der Kontakte oder der Inhalte immer wieder zur Rede.
- Er will immer mitkommen, wenn du dich mit bestimmten Leuten triffst. Selbst wenn der toxische Mensch bspw. ein Kerl ist und du zum Mädelsabend gehst, den ihr schon seit vielen Jahren regelmäßig habt. Dir ist das so peinlich, dass du lieber absagst, als ihn mitzunehmen.
- Nimmst du ihn mit oder seid ihr gemeinsam mit dir wichtigen Menschen verabredet, dann redet er die Unternehmung schon im Vorhinein so schlecht, dass dir die Lust darauf vergeht. Oder er torpediert die Verabredung durch sein schlechtes Benehmen oder seine schlechte Laune, die auch den anderen negativ auffallen. Oder er reißt die Aufmerksamkeit die ganze Zeit an sich, sodass die Leute von ihm entweder total hingerissen oder total genervt sind und du es zukünftig lieber vermeidest, dich mit diesen Leuten zu treffen.
- Willst du gerade zu einer Verabredung gehen, wird er „krank“ und braucht angeblich deine Unterstützung oder jammert dir vor, er brauche dich doch, du würdest ihn viel zu oft alleine lassen. Oder er wirft dir vor, deine Arbeit noch nicht getan zu haben, und macht dir klar, dass es Konsequenzen haben werde, wenn du sie nicht jetzt sofort machst.
- Steht eine Verabredung mit dir wichtigen Leuten an, wird er dir vorjammern, wie schlecht es ihm ginge, wenn du nicht bei ihm seist. Du bekommst jedesmal ein schlechtes Gewissen und sagst die Verabredung ab. Aber dem toxischen Menschen geht es dann wie durch ein Wunder wieder gut, vielleicht sogar so gut, dass er dich gar nicht braucht, sondern sich lieber mit seinem Handy o. a. beschäftigt. Manche toxischen Menschen bringen es dann sogar fertig, selbst auszugehen, und zwar alleine, ohne dich.
- Bist du bei einer Verabredung mit anderen, ruft dich der toxische Mensch mehrmals an oder schickt eine Nachricht nach der anderen. Vielleicht behauptet er, du würdest ihm so sehr fehlen, oder, wenn ihr eine intime Beziehung habt, schickt er dir stark sexualisierte Nachrichten. Oder er sucht angeblich etwas und findet es nicht, oder er braucht dringend Unterlagen oder Informationen von dir. Entweder bist du dadurch extrem abgelenkt oder genervt und kannst die Verabredung gar nicht genießen. Oder du brichst sie ab und kehrst zu dem toxischen Menschen zurück.
- Der toxische Mensch weiht dich in ein angebliches oder tatsächliches Geheimnis über jemanden aus deinem Umfeld ein. Er schwört dich darauf ein, mit niemandem darüber zu reden. Du fühlst dich in Anwesenheit dieser Person unwohl, weil du das Geheimnis kennst, aber nichts sagen darfst. Oder diese Person sagt etwas, das das genaue Gegenteil dessen ist, was dir der toxische Mensch erzählt hat, und du hast Schwierigkeiten, diese Person nicht auf diese Diskrepanz anzusprechen.
- In Gegenwart anderer bevorzugt er ganz eindeutig diese Menschen und lässt dich links liegen. Z. B. begrüßt er alle mit Handschlag, nur dich nicht; er unterhält sich mit anderen, aber mit dir nicht; er beschenkt andere reichlich zu Geburtstag/Jubiläum/Weihnachten, aber du bekommst nichts oder etwas sehr Billiges oder Peinliches.
- Bei der Arbeit reduziert er deine Aufgaben nach und nach und lädt dich nicht mehr zu Besprechungen ein, sodass du außen vor bist. Oder er überhäuft dich mit Arbeit und Besprechungsterminen. Und während du die Sachen erledigst, macht er sich eine schöne Zeit mit den anderen in deinem Umfeld.
Vielleicht hast du ja bereits einiges aus dieser Liste oder noch ganz andere Dinge erlebt, die darauf abzielten, dass du den Kontakt zu deinem bisherigen, sicheren und unterstützenden Umfeld verlierst.
Warum isoliert ein toxischer Mensch jemanden?
Toxische Menschen wollen vor allem drei Dinge: Macht, Kontrolle und Dominanz. Dich zu isolieren kann ihnen dabei einen entscheidenden Vorsprung verschaffen. Sie isolieren dich aber im frühen Stadium der Beziehung nicht, indem sie dich einsperren oder dir verbieten, bestimmte Leute zu treffen. Sie machen das viel unauffälliger, damit du ihnen nicht so schnell auf die Schliche kommst.
All diese Arten, dich zu isolieren, sind darauf ausgelegt, dass du zunächst ein komisches Gefühl bei den Leuten in deinem Umfeld bekommst. Dass du dich zunehmend in Anwesenheit dieser Leute klein, unwohl oder peinlich fühlst. Dass du dich seltener mit ihnen triffst. Dass du an ihren ehrlichen Motiven dir gegenüber oder ihrer Zuneigung zweifelst. Dass du ihnen misstraust und euer Umgang miteinander nicht mehr so selbstverständlich und locker ist wie früher. Vielleicht brichst du irgendwann den Kontakt zu ihnen ganz ab oder sie tun es.
Bist du isoliert, fehlt dir das dringend nötige Korrektiv
Bist du aber erst einmal von deinem bisherigen Umfeld isoliert, dann fehlt dir natürlich dessen Unterstützung und Bestärkung. Und es fehlen dir ausgerechnet jene Menschen, die dich gut kennen, die auch Veränderungen an dir erkennen und ansprechen würden. Die also als mögliches Korrektiv auftreten und gegebenenfalls in deiner Beziehung auch einschreiten könnten. Die dir ganz klar sagen könnten, was da aus ihrer Sicht mit dir geschieht. Möglicherweise würdest du es diesen Menschen da ohnehin noch nicht glauben. Doch zumindest hätten sie damit bei dir einen leisen Zweifel in den Hinterkopf gepflanzt. Und sie würden ein Auge auf dich haben.
Das aber ist einem toxischen Menschen ganz klar ein Gräuel. Denn es würde ihm einen guten Teil seiner Macht, Kontrolle und Dominanz über dich nehmen. Je weniger Menschen ihm in seine Manipulationen und Machenschaften reinreden können, desto leichteres Spiel hat er natürlich bei dir. Also gibt er sich große Mühe, um dich möglichst unbemerkt von diesem „störenden“ Umfeld zu entfernen, damit diese Leute ihn keinesfalls eher durchschauen als du.
Doch du wirst das zunächst nicht als Isolation erkennen – vielmehr wirst du glauben, dass dieser Mensch es wirklich gut mit dir meint. Womöglich sogar als einziger Mensch von allen, die du kennst. Und wenn du viel Pech hast, wird auch dein Umfeld lange nicht erkennen, was da wirklich vor sich geht. Anfangs wirst du dir und anderen noch einreden, dass du so viel zu tun hast, dass man in deiner Beziehung halt Kompromisse machen muss, dass du aus arbeitspolitischen Gründen aufpassen musst, mit wem du dich abgibst, weil du ja Karriere machen willst usw. Doch irgendwann wird es ganz normal für dich, dass du keine Menschen mehr um dich hast, denen du wirklich vertrauen oder denen du dich anvertrauen kannst. Dass ausgerechnet die Kontakte zu jenen Menschen reduziert oder abgebrochen sind, die dich am besten kennen, die dich früher aufgefangen haben, wenn es dir schlecht ging, oder dir Auswege aus der Misere gezeigt haben.
Mit der Isolation steckst du in einem Teufelskreis fest
Stattdessen ist da jetzt nur noch dieser eine Mensch. Und damit hat er dich da, wo er dich haben will: du – eine eigentlich so starke, selbstbestimmte, erfolgreiche Person – hast nur noch ihn und seine Meinung, seine Vorgaben, seine Einschätzungen als einzige Richtschnur und vertraust nur noch ihm. Er hat dich in der Hand. Denn jetzt kann er dir erzählen, was er will, ohne dass du ein Korrektiv von außen hast. Zumal er dich ja nicht nur isoliert, sondern gleichzeitig auch durch andere Methoden verunsichert und destabilisiert hat.
In deiner ganzen Verwirrung, und weil er sehr glaubwürdig auftritt, wirst du ihm eher Glauben schenken als den anderen (die ja vorher angeblich schlecht über dich gesprochen oder angeblich nicht dein Bestes im Sinn haben). Du glaubst ihm selbst dann, wenn es sich um absolut idiotische, hirnrissige und absurde Dinge handelt, wie wir sie öfters z. B. von religiösen Sekten und extremistischen Gruppierungen hören. Du denkst anfangs vielleicht noch, dass das alles absoluter Unsinn ist. Doch je öfter du es von diesem Menschen hörst, desto weniger Zweifel hast du. Und da du von deinem einstigen, nicht durch ihn manipulierten Umfeld isoliert bist, können dich auch die Flying Monkeys des toxischen Menschen von der vermeintlich absoluten Korrektheit des Unsinns überzeugen.
Aus diesem Teufelskreis ist es sehr, sehr schwer zu entkommen. Denn womöglich sind deine alten Kontakte so verletzt, dass sie kein Interesse mehr haben, sich wieder mit dir abzugeben. Ihr Leben ist inzwischen ja auch weitergegangen. Opfer, die aus solchen Beziehungen oder Gruppen aussteigen, brauchen dringend ein stärkendes Umfeld, das ohne Wenn und Aber und vor allem ohne Wertung für sie da ist. Wir müssen sie bei ihrem Neustart unterstützen und dabei, wieder verlässliche, ehrliche Kontakte zu knüpfen, damit sie sich nicht vor lauter Scham über das Erlebte nun auch noch selbst isolieren.
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