Was ist radikale Akzeptanz und warum hilft sie dir in toxischen Beziehungen?

Radikale Akzeptanz im Zusammenhang mit toxischen Menschen klingt im ersten Moment vielleicht danach, dass du alles akzeptieren sollst, was sie dir antun. Doch das ist natürlich nicht der Fall. Also, was ist radikale Akzeptanz überhaupt, und inwiefern kann sie dir in toxischen Beziehungen jeder Art helfen?

Wenn du es mit einem toxischen Menschen zu tun hast, dann ist das Letzte, das du hören willst (und solltest!), dass du ihr Verhalten einfach hinnehmen solltest. Schlägt dir nun jemand vor, es einmal mit radikaler Akzeptanz zu versuchen, wirst du das wahrscheinlich ablehnen und nicht weiter zuhören wollen. Und das wäre absolut verständlich – bescheuerte, uninformierte Ratschläge bekommst du sicher schon mehr als genug. Doch das mit der radikalen Akzeptanz ist kein bescheuerter Rat, sondern kann für dich einiges entscheidend verändern.

Was ist radikale Akzeptanz?

Etwas zu akzeptieren bedeutet, etwas hinzunehmen. Ob du das, worum es geht, magst oder nicht, spielt dabei keine Rolle und soll es auch gar nicht. Radikale Akzeptanz würde normalerweise bedeuten, dass du es ohne Wenn und Aber vollständig hinnimmst. Im Zusammenhang mit toxischen Menschen geht radikale Akzeptanz aber in eine etwas andere Richtung. Denn sie bedeutet definitiv nicht, dass du das Verhalten toxischer Menschen hinnehmen musst.

Stattdessen bedeutet radikale Akzeptanz in diesem Zusammenhang, dass du jede Hoffnung aufgibst, dass der toxische Mensch sich und sein Verhalten ändern wird. Dass du zu 100 Prozent akzeptierst, dass er es nicht für dich tun wird und auch für sonst niemanden. Warum ist das radikal? Weil du wahrscheinlich im gesamten Verlauf der Beziehung zu einem toxischen Menschen versucht hast (und vielleicht immer noch versuchst), ihn dazu zu bringen, sein Verhalten zu ändern. Nun zu akzeptieren, dass sich dieser Mensch wahrscheinlich nie ändern wird, schon gar nicht für dich, ist oftmals sehr, sehr schwer. Da ist es schon ein radikaler Schritt, es trotzdem zu akzeptieren und darauf zu verzichten, das Verhalten des anderen Menschen weiterhin verändern zu wollen.

Radikale Akzeptanz ist übrigens keine moderne Erfindung irgendwelcher Lifestyle-Coach:innen. Sie basiert auf dem, was der römische Philosoph Epiktet bereits vor knapp 2.000 Jahren beschrieb. Im 20. Jahrhundert wurde daraus dann das, was wir heute als „Gelassenheitsgebet“ (oder englisch: „serenity prayer“) kennen: die Bitte darum, die Dinge gelassen hinnehmen zu können, die wir nicht ändern können. Und sie von jenen Dingen unterscheiden zu können, die wir ändern können.

Was passiert in toxischen Beziehungen?

In gesunden Beziehungen ist es nichts Außergewöhnliches, wenn sich die eine Person manipulativ und verletztend verhält, dass man versucht, auf diese Person einzuwirken. Denn so ein Verhalten nimmt man maximal so lange hin, bis die eigenen Grenzen oder die eines anderen Menschen überschritten wurden. Und dann kommuniziert man diese Grenzen dem Gegenüber deutlich und verständlich, damit solche Grenzverletzungen nicht noch einmal stattfinden. Kommt das Verhalten danach trotzdem wieder vor, kommuniziert man die Grenzen erneut in der Erwartung oder Hoffnung, dass das Gegenüber ein Einsehen hat und sein Verhalten nun ändert. Und in den meisten Fällen hat das Gegenüber auch genug Respekt, um sein inakzeptables Verhalten einzustellen.

In einer toxischen Beziehung funktioniert das nicht. Menschen, die empathisch sind, die anderen immer wieder eine Chance geben, die darauf vertrauen, dass die diese Chancen nicht noch einmal missbrauchen, beißen hier auf Granit. Sie glauben, es nur mit einem schwierigen Menschen zu tun zu haben, der sich ihnen zuliebe ändern wird. Doch toxische Menschen ändern sich nur, wenn sie sich davon einen Vorteil versprechen. Und die wenigen Änderungen, die sie vornehmen, sind meist nur vorübergehend.

Wie kann dir radikale Akzeptanz in toxischen Beziehungen helfen?

Es ist wahrscheinlich eins der schwersten Dinge, die du in dieser toxischen Beziehung je tun wirst: ganz radikal zu akzeptieren, dass du nichts, aber auch gar nichts an dem toxischen Menschen wirst verändern können. Da du dies vielleicht noch nicht weißt oder noch nicht ganz radikal akzeptieren kannst, wirst du ziemlich sicher Unmengen an Hoffnung auf etwas verschwenden, das du nicht ändern kannst. Es kostet unwahrscheinlich viel Zeit, Kraft und Nerven, über das Verhalten eines toxischen Menschen nachzudenken und nach Wegen zu suchen, wie du ihm endlich verständlich machen kannst, dass sein Verhalten absolut nicht in Ordnung ist. Darüber hinaus wirst du auch ziemlich angespannt sein, denn bei vielen toxischen Menschen muss man auch noch beachten, dass man selbst bei dem Ganzen nicht zu Schaden kommt. Und so hast du nicht mehr oder nicht mehr in ausreichendem Maß Zeit, Kraft und Nerven für dich selbst, für dein eigenes Wohlergehen und dein eigenes Leben.

Wenn du nun radikal akzeptierst, was du nicht ändern kannst, entscheidest du dich damit aktiv gegen den Schmerz und die Hilflosigkeit, die du fühlst, weil dieser Mensch nicht einmal für dich etwas verändern wird. Weil er deine Hoffnung auf Veränderung immer wieder zerstört. Es kann unglaublich entspannend sein, loszulassen, was sich nicht festhalten lässt. Du gibst dir dadurch auch den Raum, zu überprüfen, welche Werte dir eigentlich wichtig sind, was für dich o. k. ist und welche Dinge du definitiv nicht mehr hinnehmen möchtest. Du ersparst dir mit diesem Schritt auch unfassbar viele Kämpfe und Enttäuschungen. Und auf einmal hast du wieder mehr Zeit für dich, und du hast wieder mehr Kraft und Nerven.

Hast du die toxische Beziehung bereits beendet, dann werden deine Gedanken sich möglicherweise immer noch um diese Beziehung drehen. Du kannst vielleicht noch nicht damit abschließen, weil du irgendwie das Gefühl hast, als Mensch gescheitert zu sein. Du konntest diese Beziehung nicht aufrechterhalten, du konntest diesem Menschen keine starken, konsequenten Grenzen setzen und sein Verhalten nicht ändern. Doch du bist kein schwaches Opfer! Radikale Akzeptanz des Nichtveränderbaren kann dir aber jetzt endlich den Weg frei machen, zu erkennen, dass dieses vermeintliche Scheitern gar kein Scheitern ist. Sondern dass die Tatsache, dass du es überhaupt so lange mit diesem Menschen ausgehalten hast, ein Zeugnis einer wunderbaren Empathiefähigkeit, eines hilfsbereiten Charakters, Anpassungswillens und großer Stärke ist.

Und wie immer gilt: Kannst du dies nicht sofort perfekt umsetzen, dann denk daran, dass niemand das kann. Übe ein bisschen liebevolle Geduld mit dir selbst, nimm dir die Zeit, die du brauchst, aber lasse nie das Ziel aus den Augen: dir dein eigenes, schönes Leben wieder zurückzuholen.

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